Dr. Tom Wahlig gründete nach der Erkrankung seines Sohnes eine Stiftung für die seltene Erkrankung HSP (Hereditäre Spastische Spinalparalyse). Da er erkannte, dass er allein sehr schwer zu kämpfen hat, schloss er sich zusätzlich der Allianz chronischer seltener Erkrankungen an. Die ACHSE e.V. vertritt über 400 seltene Erkrankungen. Vom 5. bis zum 23. November 2018 zeigte die Tom-Wahlig-Stiftung die von der ACHSE e.V. konzipierte Fotoausstellung “Waisen der Medizin”. Die 32 Porträts stammen von den Fotografinnen Verena Müller, Kathrin Harms und Maria Irl, wobei sie die einzelnen Aspekte der Erkrankungen auf eindrucksvolle Weise darstellten.
Wir trafen den Stifter Dr. Tom Wahlig zum Interview.
Was macht die Stiftung konkret?
Wahlig: Wir veranstalten vor allen Dingen Treffen der Wissenschaftler. Einmal im Jahr gibt es ein großes Treffen und zwischendurch kleinere. Außerdem fördern wir Forschungsprojekte. Dabei handelt es sich generell um Projekte mit einem Investitionsumfang von 30.000 bis 50.000 Euro. Alle drei Jahre geben wir ein Projekt mit einem Investitionsvolumen von 100.000 bis 120.000 Euro aus. Hierbei gilt als Auflage, dass ein Therapie-Ansatz gefunden werden muss.
Welchen tieferen Sinn hat diese Ausstellung?
Wahlig: Sinn dieser Ausstellung ist allein die Menschen dazu aufzurufen, bewusster zu erleben. Es gibt zwar 40.000 Parkinson-Erkrankte, was auch eine Krankheit ist, aber keine seltene. Aber wenn man all die seltenen Krankheiten zusammen nimmt, dann sind das noch viel mehr. Nur ist das sehr viel Aufwand, so etwas zu behandeln und zu erforschen. Oft gibt es Erkrankungen, wo sie nur eine erkrankte Person haben – und dazu dann eine Therapie zu entwickeln, ist schwierig. Wir haben mindestens fünf Therapieansätze, aber noch keine richtige.
Wie sind Sie darauf gekommen, sich mit HSP zu befassen?
Wahlig: Das war bei mir dadurch ausgelöst, dass einer meiner Söhne die Krankheit hat. Gott sei Dank hat er sofort eine Diagnose bekommen, was damals aber ganz unmöglich schien, weil nichts bekannt war. Inzwischen kann man es diagnostizieren, weil es die Genetik gibt und man weiß, von welchen Genen es ausgelöst wird.
Was ist HSP?
Wahlig: HSP ist eine seltene, genetisch bedingte Erkrankung, bei der das erste Neuron langsam degeneriert. Das erste Neuron schickt beispielweise Befehle an unsere Beine, wenn wir dieses bewegen wollen. Bei den Menschen, bei denen das erste Neuron degeneriert, werden die Befehle nicht mehr richtig weitergeleitet. Zuerst können sie nicht mehr richtig gehen, und später sitzen sie dann im Rollstuhl. Die Menschen sterben zwar nicht an dieser Krankheit, aber es wird mit der Zeit immer schlimmer. Schließlich ist sogar der Schließmuskel betroffen.
Was wird getan?
Wahlig: Also ich kann mich von vornherein, bezogen auf das, was wir erreicht haben, nicht beklagen. Vor 20 Jahren haben wir ein Symposium mit fünf Beteiligten gestartet. Heute arbeiten 74 Personen für uns, die alle etwas tun und auch gefördert werden. Ebenfalls werden regelmäßig neue Projekte beantragt. Allerdings müsste alles noch mehr zusammengefasst werden. Es ist gelungen, die Leute an einen Tisch zu bringen, was am Anfang überhaupt nicht der Fall war. Die Leute, die zuvor zerstreut in Belgien, Frankreich oder England arbeiteten, haben wir inzwischen an einem Tisch für unsere speziellen Sachen. Aber es fehlt noch immer der Durchbruch. Ich kann mich auch nicht, was manche tun, über die Industrie beklagen. Die würden schon ein Arzneimittel entwickeln, wenn wir ihnen einen Ansatz geben würden. Die Industrie forscht nicht in solchen Gebieten, aber das ist auch gar nicht deren Job. Die Ansätze kommen von unseren Wissenschaftlern und geben der Industrie den Input. Dabei muss man sagen, dass die EU Richtlinien erlassen hat für die erleichterte Zulassung von Arzneimitteln für seltene Krankheiten, da es ja generell wahnsinnig teuer und aufwendig ist, neue Arzneimittel in den Handel zu bringen. Man kann sagen, dass alles im Gespräch ist. Allerdings sind die Krankheiten, mit denen wir uns befassen, noch immer zu wenig bekannt. Diese Ausstellung ist dazu da, die Sache bekannter zu machen.
Wie wird es behandelt?
Wahlig: Es können nur die Symptome behandelt werden. Bei der spastischen Spinalparalyse degeneriert das erste Neuron, weshalb die Reize nicht ankommen. Hier kommt jedoch die Spastik mit rein, weil der Organismus sich dagegen wehrt. Diese Spastiken kann man mit Antispastika behandeln. Wenn die Spastiken jedoch behandelt werden, wird die Lähmung wieder schlimmer. Eine Richtige Behandlung ist das alles nicht, aber es bringt erst mal Erleichterung.
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