Freiheit, Toleranz, Gleichheit, Solidarität und Gerechtigkeit. Dies sind die 5 Grundsätze der Arbeiterwohlfahrt in Deutschland. Die AWO will die Stimme für die überhörten Bürger und Bürgerinnen des Landes erheben und deren Vorschläge und Wünsche umsetzen.
Die Gründerin der Arbeiterwohlfahrt „Marie Juchacz“ sagte im Jahre 1927:
„Der Gedanke der Solidarität, der alle Zweige der Arbeiterbewegung so wundervoll belebt, ist auch die Triebfeder unseres gemeinsamen Handelns zum Wohle hilfsbedürftiger Menschen. Der Starke soll mit eintreten für den Schwachen zum Wohle des Ganzen.“
Seit genau 100 Jahren setzt sich die AWO schon mit ihren Angeboten und Projekten für die Gerechtigkeit in der Gesellschaft ein. Aus diesem Anlass spreche ich mit der Münsteraner Kreisvorsitzenden der AWO, Frau Dr. Anna Mazulewitsch-Boos.
Seit wann sind Sie schon ehrenamtlich bei der AWO tätig?
So seit circa 20 Jahren würde ich sagen. Das ist aber noch relativ kurz, es gibt Mitglieder, die sich schon 50 Jahre in der AWO engagieren.
Und was haben Sie mit der AWO schon für Langzeitangebote und Projekte in Münster durchgeführt?
Die AWO ist so strukturiert, dass die ehrenamtlichen Mitarbeiter in Ortsvereinen zusammenkommen. Hier in Münster gibt es vier Ortsvereine. Einen in Nord, einen in Mitte, dort sind wir jetzt im Augenblick, einen in Wolbeck und einen im Westen.
Diese Ortsvereine planen und arbeiten alle für sich selber. Jeder macht das, was gerade anliegt, hier zum Beispiel gibt es Spielenachmittage oder Kaffeeklatsch. Gestern war aber auch das AWO-Jugendwerk hier und hat seine Aktivitäten geplant, wie zum Beispiel Klettertouren oder veganes Kochen. Die älteren Menschen stricken dann eher, organisieren eine Adventsfeier oder Aktionen für die Kitas, die es hier in Münster gibt. Aber die anderen Ortsvereine machen ganz unterschiedliche Dinge. Im Ortsverein im Westen gibt es zum Beispiel Seniorenzentren von der AWO. Es ist also alles sehr unterschiedlich, was wir hier machen.
Für welche Projekte sind Sie verantwortlich? Nur für die Projekte in Münster Mitte oder auch für die des gesamten Kreisverbands?
Nein, diese vier Ortsvereine sind in einem Kreisverband, bei dem ich die Vorsitzende bin. Wir als gesamter Kreis haben jetzt die 100-Jahresfeier geplant und durchgeführt. Wir machen zum Beispiel ein größeres Sommerfest, das haben wir in diesem Jahr in Berg Fidel veranstaltet. Dort treffen wir uns mit einer hauptamtlichen Struktur aus Münster und den Ehrenamtlern und organisieren für die Bewohner vor Ort oder für die Familien und Kinder ein größeres Fest. Das ist immer wieder sehr spannend und macht auch großen Spaß.
Was für Angebote werden hier in Münster von den Münsteranern und Münsteranerinnen am meisten genutzt?
Wir haben jetzt immer über die ehrenamtlichen Arbeiten gesprochen. Ich denke, es wird wirklich viel an Freizeitgestaltung genutzt. Es gibt Fahrten zu interessanten Orten wie zum Beispiel zu Ausstellungen nach Düsseldorf, ins Fußballmuseum oder ähnliche Sachen. Diese Veranstaltungen werden immer sehr gerne genutzt.
Aber man muss bei der AWO auch wissen, dass es nicht nur die Ehrenamtlichen sondern auch die Hauptamtlichen gibt. Als hauptamtliche AWO betreiben wir in Münster acht Kindertagesstätten. Da wissen die Wenigsten, dass es so viele sind, weil sie so gut verteilt sind in Münster. Eine ist auch in Münster-Mitte in einer umgebauten Kirche. Es gibt also viele Eltern, die sich darüber freuen, dass es AWO-Kitas gibt. Es gibt außerdem zwei Seniorenzentren, das eine ist das Fritz-Krüger Seniorenzentrum in Gievenbeck, das andere ist das Alwine Lauterbach Seniorenzentrum in Albachten. Benannt nach der Frau, die in Münster nach dem zweiten Weltkrieg die AWO mitgegründet hat.
Folgendes ist vielleicht für jüngere Leute interessant: Das Projekt „Liebesleben“ für Prävention bei AIDS will aufklären und informieren. Man kann sich dazu auf der AWO-Seite informieren und sich anschauen, was sie eigentlich alles machen. Das AWO-Jugendwerk ist wirklich aktuell und gut für junge Leute aufgestellt. Wir haben außerdem eine Schuldnerberatung für Menschen, die in Insolvenz gekommen sind. Die AWO verfügt über die unterschiedlichsten sozialen Angebote. Ich glaube je nachdem, was man in seinem Leben braucht, ist es gut, dass man das alles bei der AWO finden kann.
Was haben Sie in den 100 Jahren AWO hier in Münster schon alles erreicht?
Schwere Frage – was erreicht man im Sozialen? Man versucht immer wieder Ungerechtigkeiten, die man entdeckt, zu verändern und so für die Menschen zu verbessern. Es hat natürlich nach dem ersten und zweiten Weltkrieg extreme Not gegeben, da hat die AWO zur Selbsthilfe aufgerufen und diese Selbsthilfe mitorganisiert. Zum Beispiel in Suppenküchen oder Nähstuben, damit sich die Leute selber versorgen konnten. Sie hat für die vielen Flüchtlinge, die nach dem Krieg kamen, versucht Wohnraum zu finden und immer dort geholfen, wo Hilfe nötig ist. Heute sind ganz andere Angebote wichtig.
Kindergärten zum Beispiel.
Meine Kinder sind jetzt selbst in dem Alter, in dem sie Kinder kriegen und da merkt man erst, wie wichtig das im Augenblick ist. Um genügend Geld für die Familie zu verdienen, arbeiten ja heutzutage fast immer Vater und Mutter. Es gibt auch das Ehrenamtliche, bei dem man guckt, wie es in der Gesellschaft aussieht und dort gibt es ja zur Zeit reichlich Ungerechtigkeiten. Es gibt viele reiche Menschen und viele Menschen, die immer ärmer werden. Wo kann man da eigentlich was tun und wo kann man politisch was bewirken? Das versucht man natürlich auch immer zu schaffen.
Also es gibt die großen Projekte, bei denen wir dann natürlich auch über das Hauptamt Unterstützung brauchen. Es gibt aber auch die kleinen Projekte, für die wir immer um das Mitmachen werben. Zum Beispiel Stricken von Schals – Es gibt ja viele, die sitzen gemütlich auf dem Sofa und freuen sich, wenn sie dabei etwas produzieren können. Das Projekt heißt „Schals gegen soziale Kälte“. Diese Schals sind dann beim AWO-Fest, also beim großen 100-Jahre-Fest in Dortmund verkauft worden. Von dem Erlös werden weitere soziale Projekte mitfinanziert.
Als Geflüchtete nach Deutschland kamen, haben wir natürlich auch mitgeholfen. Wir von der AWO haben drei Unterkünfte in Münster bereitgestellt. Diese sind jetzt aber wieder geschlossen. Als weitere Hilfe für Menschen mit Migrationshintergrund gibt es Unterstützung bei der Wohnungssuche.
Was haben Sie für die nächsten Jahre schon an neuen Projekten geplant?
Also ehrlich gesagt, waren wir mit der 100-Jahresfeier ziemlich beschäftigt. (lacht) Aber wir haben in diesem Jahr eine politische Aktion in der Villa ten Hompel organisiert. Dort hat ein Redner über das Erstarken der Rechten, insbesondere der AfD, berichtet. Diese Veranstaltung war sehr gut besucht, vor allem auch von Jüngeren. So eine Veranstaltung wollen wir demnächst noch ein weiteres Mal in Kinderhaus machen und damit auch politisch zeigen, wo wir stehen. Wir als AWO sind so aufgestellt, dass wir in keinster Weise irgendwas an Nazistaat und Rechtem hier in unserer Gesellschaft dulden. Wir wollen natürlich auch das soziale Miteinander weiter stärken und dafür Aktionen organisieren.
Was wünschen Sie sich für die AWO in den kommenden Jahren?
Ich wünsche mir, dass wir viele Menschen haben, die sich hier in diesem Land ehrenamtlich einbringen. Außerdem sollten sie sich auch an den richtigen Stellen engagieren, damit es für die Gesellschaft auch ein gutes soziales Miteinander ist. Letztendlich wünsche ich mir aber, dass sich viele Menschen für die Demokratie einsetzen und erklären, dass dieser Staat absolut lebenswert ist und wir uns dafür einsetzen müssen. Ich habe allerdings den Eindruck, dass die jungen Menschen wieder so politisch geworden sind, dass ich da guter Dinge bin. Ich würde mich freuen, wenn von denen auch viele bei der AWO mitmachen würden.
Ich danke Frau Dr. Anna Mazulewitsch-Boos für den interessanten Einblick in die Arbeiterwohlfahrt!
(Fotos: Luca Jacob und Susanna Borchardt-Ott)
Kommentar hinzufügen