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Photo by Christian Wiediger on unsplash.com/@christianw
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Rechtsterror in Hanau: Wacht endlich auf!

Ein Kommentar.

Wieder nur ein Einzelfall. Diese Nacht wurden elf Menschen ermordet – ermordet aus einer faschistischen Ideologie! Es ist der schlimmste rechte Angriff seit der Wiedervereinigung. Verheerender war nur das Oktoberfest-Attentat.

Nach dem Aufdecken des NSU-Terrors hatten die Sicherheitsbehörden endlich Wachsamkeit versprochen. Das ist neun Jahre her. Schließlich gibt es seit der Wiedervereinigung fast 200 faschistische Morde. In den letzten Jahren sind etliche rechte Terrornetzwerke aufgeflogen. Die „Oldschool Society“, die „Gruppe Freital“ und die „Freie Kameradschaft Dresden“, die beide aus den Pegida-Protesten in Dresden hervorgegangen sind, und die „Gruppe Werner S.“ – um nur vier zu nennen. Diese Terrorgruppen sind alleine in den letzten fünf Jahren ausgehoben worden. Lübcke, Halle und Hanau sind vollendeter rechter Terror. Und diese Hassverbrechen sind nur die aus dem letzten halben Jahr.

Immer wieder wird dieser rechte Terror als Einzelfall abgetan. Aber er ist das Ergebnis des rassistischen Sounds der letzten Jahre. Nicht nur aus der AfD – auch aus dem konservativem und liberalem Milieu. Dieser Sound, der Sound der Brandstifter*innen – der wird eingeladen in die Talkshows. Weidel darf ihr grausames Lächeln in die Kamera halten und stammeln: „Es ist unglaublich“. Betroffene rassistischer Gewalt und antifaschistische Initiativen kommen dort dagegen selten vor.

Nach dem Dammbruch in Thüringen haben Konservative und Liberale hilflos auf ihre Kolleg*innen im Osten geschaut. Nur einige wenige, wie der Münsteraner Ex-CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz, haben entschieden dagegen gehalten. Und: Der Dammbruch geht weiter. Seitdem wird weiter in Kommunalparlamenten von Konservativen und Liberalen fleißig mit der AfD paktiert. Sie sehen nicht – oder wollen nicht sehen, dass ihre Wählerinnen und Wähler das gar nicht wollen. Man schaue nur auf die Umfragewerte in Thüringen, wo Union und FDP nach dem Dammbruch heftig an Stimmen einbüßen mussten.

Die Sicherheitsbehörden sagen, sie schauen besser hin. Aber erst kürzlich hat ein Journalist gemeldet, dass die Ermittlungen wegen konkreten Morddrohungen gegen ihn eingestellt worden seien. Das Konkrete, jemand wollte ihm „etwas zwischen die Rippen rammen“, – das Konkrete war wohl nicht konkret genug! Die Justiz fasst Rechtsextremisten mit Samthandschuhen an. Die vorhandenen Gesetze werden nicht ausgeschöpft. Die Nazis lachen sich krumm und machen weiter!

Was soll man auch davon halten, wenn heute ein Ex-Verfassungsschutz-Chef twittert, dass Antifa gleich Nazi wäre? Was soll man davon halten, dass immer wieder Rechtsextremisten in der Polizei enttarnt werden? Bei der Polizei ist „die Antifa“ das Feindbild, nicht der Nazi! Als wenn Linke mordend durch Deutschland ziehen würden. Nein, das sind die Rechten!

Da braucht es nicht neue Sicherheitsgesetze, insbesondere neue Spitzel-Gesetze. Diese Forderungen sind scheinheilig. Die bestehenden Gesetze müssen erst einmal angewandt werden! Es wird ja nicht einmal gegen die offen zugänglichen, faschistischen Messenger-Gruppen ermittelt, in denen täglich Rassismus, Menschenverachtung und Morddrohungen gepostet werden.

Münster ist leider nur eine große Ausnahme im großen Meer der Problemfälle. Hier stehen zehntausend Menschen jeglicher politischer Couleur bereit, wenn die AfD ihre Menschenverachtung ins Rathaus tragen will, hier steht ein Stadion auf und brüllt „Nazis raus!“ und jagt ihn vom Platz, wenn ein Fan rassistische Affenlaute gegen eine Gegenspieler macht. Aber Münster hat ebenso rassistische Schattenseiten: Erinnert sei nur an die zwei Brandanschläge gegen einen Neubau für ein Flüchtlingsheim in Hiltrup im Jahr 2016. Hier wurden, Gott sei Dank, die Täter bald gefasst und verurteilt.

„Es ist passiert, also kann es wieder passieren: Das ist der Kern dessen, was wir zu sagen haben“, schrieb Primo Levi, Partisan und Auschwitz-Überlebender über den historischen und den aufkeimenden neuen Faschismus. Und Ester Bejarano, ebenfalls Auschwitz-Überlebende und Zeitzeugin, warnte jüngst: „Der Satz ‚Wehret den Anfängen‘ ist längst überholt! Wir sind mittendrin!“

Also: Steht auf! Schmeißt die Brandstifter*innen der AfD aus den Talkshows! Lenkt nicht immer ab durch solche Sprüche wie „Aber die Linken…“! Die sind nun wirklich nicht das Problem!

Seid solidarisch mit den Opfern rassistischer Gewalt! Hört deren Geschichten! Und: Organisiert den antifaschistischen Gegenwind gegen den rassistischen Mob von AfD, Pegida und allen anderen Faschist*innen!

Antifaschismus heißt das Gebot der Stunde!

Jan Große Nobis

Jan ist Ureinwohner Münsters. In Münster geboren, ging er hier zur Schule, studierte Chemie, Geschichte und Soziologie und anderes und war in der juristischen Online-Redaktionswelt unterwegs – auch in Münster. In der Freizeit macht er antifaschistische Demo-Fotografie. Bei ostviertel.ms als Redakteur unterwegs.

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