Die Initiative NSU-Watch zieht in ihrem Buch “Aufklären und einmischen” ein umfangreiches Resümee des NSU-Prozesses.
Es ist der 21. April 2020. Fast 93 Wochen dauerte es nach der mündlichen Urteilsverkündung am 11. Juli 2018, nun endlich das schriftliche Urteil im NSU-Prozess zu verkünden. Es ist das Ergebnis eines mehrjährigen Gerichtsprozesses mit erheblichen Mängeln und Lücken, wenn man sich das Resümee der Initiative anschaut, das nun im Verbrecher Verlag erschienen ist.
Die Initiative beobachtete den gesamten Prozess, veröffentlichte auf ihrer Website umfangreiche Sitzungsprotokolle, Zusammenfassung, Hintergrundwissen und organisierte Vorträge und Veranstaltungen, um dem Prozess – und vor allen Dingen der Aufklärung der rassistischen Morde durch den NSU Öffentlichkeit zu verschaffen. Von Seiten des Staates war jener Aufklärungswille scheinbar etwas schwächer.
“Für NSU-Watch war von Beginn an klar, dass der Münchner NSU-Prozess keine umfassende Aufklärung des NSU-Komplexes leisten würde”
Seit 2018 ist das mündliche Urteil gesprochen worden, seit April diesen Jahres liegt es auf über 3.000 Seiten auch schriftlich vor. Jedoch: “Wer gehofft hatte, dass in den 3.025 Seiten […] der Kritik an der mündlichen Urteilsbegründung Rechnung getragen wird, dass zum Beispiel Worte gefunden werden, die das Leid der Nebenkläger*innen und der anderen Betroffenen anerkennen, wurde enttäuscht. Nichts dergleichen ist passiert”, schreiben die Autor*innen.
Die Autor*innen von NSU-Watch ziehen ein detailliertes und wichtiges Resümee aus dem Münchner NSU-Prozess und beleuchten dabei die verschiedenen Komponenten – die Rolle der Nebenkläger*innen, die Angeklagten, die Bundesanwaltschaft, den Senat, das Verhalten der Zeug*innen und schließlich die Rezeption in der Öffentlichkeit. Der hervorragende Arbeit der Initiative NSU-Watch und vor allen Dingen die der Nebenkläger*innen im NSU-Prozess ist zu verdanken, dass die Öffentlichkeit über die Berichterstattungen in den herkömmlichen Medien hinaus von dem Aufklärungsversagen des Staates im NSU-Prozess Wind bekommt. Von einem Schlussstrich, wie er sich sicherlich von vielen gewünscht wird, darf weiterhin keinesfalls die Rede sein – wir sind es den Opfern und Angehörigen schuldig, die Hintergründe weiter aufzuklären. Das Buch “Aufklären und einmischen” hilft uns dabei, einen präzisen Einblick in die Sachlage zu erhalten.
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