Es war angekündigt. Öffentlich. Im Internet: US-Nazi-Milizen, Trumps Fußvolk, haben das Kapitol in Washington DC erstürmt. Die Polizei konnte sie nicht aufhalten.
Noch-Präsident Trump hatte sie dazu vorher auf einer Kundgebung aufgestachelt. Er hatte dort vorher angekündigt, dass er mit ihnen zum Kapitol gehen würde. Das tat er zwar nicht. Aber seine Anhänger*innen gingen trotzdem dorthin.
Dort, im Kapitol, sollte die Wahl des Demokraten Joe Biden durch die Wahlmänner und -frauen bestätigt werden. Am Ende wurde er auch mit 306 zu 232 Stimmen als kommender Präsident bestätigt.
Diesen Putschversuch, anders kann man es nicht nennen, kann man als vorläufigen Höhepunkt von Trumps Angriff auf die Demokratie verstehen. Und dieser Putschversuch war nicht so lächerlich, wie es das Bild des Nazis in Pelz mit Hörnern auf dem Kopf, erscheinen lässt. Dieser Anhänger der rechtsextremen Verschwörungstheorie QAnon war wahrscheinlich nur als eine ikonografische Ablenkung vom eigentlichen Geschehen gedacht, die zunächst auch funktioniert hat. Das Bild ging als erstes durch alle Medien.
Trump hat in den letzten fünf Jahren alle demokratischen Institutionen der USA angegriffen: Die Pressefreiheit durch die unaufhörlichen Fakenews-Rufe, die beiden Parlamentskammern, indem er meistens eine demokratische Verhandlung über anstehende Beschlüsse verweigerte und lieber über Präsidialerlasse regierte, die Gerichtsbarkeit, indem er seine kriminellen Kumpels begnadigte, die Wahlen durch seine fortwährenden unbewiesenen Vorwürfe der Wahlfälschung gegen die Institution Wahlen und die Öffentlichkeit durch seine eigenen Fakenews! Das ist eine faschistische Agenda – auch wenn Trump selbst nur Narzisst ist und ideologisch gesehen kein gefestigter Faschist.
Und die Riots standen schon seit Wochen auf der To-Do-Liste der US-Nazis. Und Trump hat sie seit Monaten aufgewiegelt. Erst jüngst im letzten September hatte er in Bezug auf die faschistischen Proud Boys gesagt: „Haltet euch zurück und haltet euch bereit“. Und sie haben sich bereitgehalten! Und da Vizepräsident Mike Pence ausnahmsweise nicht den Lügen von Trump folgen wollte und damit als Vorsitzender der Sitzung des Kongresses zur Bestätigung des Wahlergebnisses Joe Biden als Präsident bestätigen wollte, haben sie das Kapitol gestürmt, um das Unvermeidliche doch zu stören bzw. zu verhindern.
Ebenso zu fragen ist wieder (wie so oft), was die Polizeitaktik war: Wo war die Nationalgarde, die noch bei den Black-Lives-Matter-Protesten so präsent war? BLM hatte nie vor, das Kapitol zu stürmen. Trotzdem wurde es ihnen unterstellt und die Nationalgarde gerufen. Die trumpistischen Nazis hatten es angekündigt – und trotzdem war die Nationalgarde nicht da!
Der Angriff auf das Kapitol ist am Ende abgeschmettert worden. Aber keine*r weiß, was der scheidende Präsident am 20. Januar bei der Amtseinführung des neu gewählten Präsidenten wirklich machen wird. Auch wenn er nun beteuert, dass eine reguläre Amtsübergabe stattfinden werde. Die US-Nazis haben jedenfalls neue Riots angekündigt!
Bitte aufhorchen!
Diese Geschehnisse müssen aufhorchen lassen! Wie wird es weitergehen, auch wenn Trump nicht mehr Präsident ist, aber die Hälfte der Wähler*innen der Republikaner den neuen alten Faschismus im Mantel des Trumpismus unterstützen und die revolutionären Ideen tief in der Ideologie der Republikaner verankert sind? Trump ist vielleicht zunächst aus dem Amt gewählt, ob die Republikaner nach Trump wieder auf den Weg der konservativen Tugenden einschwenken, ist noch offen. Schließlich gab es schon vor Trump die TeaParty-Bewegung bei den Republikanern. Und: Der globale Faschismus ist damit schließlich nicht verschwunden.
Europa und Deutschland
Aber wir müssen gar nicht über den großen Teich schauen: Hier gibt es Orbán und seine Fidesz an der Macht, die FPÖ war schon zweimal an der Macht, Salvini hat ebenso schon regiert. Deutsche QAnon- und „Querdenker“-Kreise hofften nach den Capitol Riots in Washington auch auf einen Umsturz in Deutschland.
Und in Deutschland gibt es auch viele Aspekte in der konservativen und liberalen Politik, die aufhorchen lassen müssen:
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Es muss aufhorchen lassen, wenn auch in Deutschland ein Sturm auf das Parlament von faschistischen Gruppen fast geglückt wäre(Wo war hier die Polizei?).
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Es müsste aufhorchen lassen, wenn konservative Politiker*innen lamentieren, „aber die Linken“, um von den rechtsextremistischen Ausschreitungen abzulenken! Tut es aber nicht.
Ruprecht Polenz, Münsteraner CDU-Urgestein, ist einer der wenigen Konservativen, die richtig analysieren, dass die Republik von Rechts angegriffen wird, und nicht von „Frustrierten von links und rechts“, wie es eben Friedrich Merz formuliert.
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Es müsste aufhorchen lassen, wenn ex-prominente Parteimitglieder der Union einen Aufruf von Trump, den Wahlvorgang zu boykottieren, unterstützen. Tut es aber nicht.
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Es müsste aufhorchen lassen, wenn es auf kommunaler und Landes-Ebene eine Zusammenarbeit von Union mit der AfD gibt. Tut es aber nicht. Sind die Beteuerungen der Bundesspitze der Union gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD nur Lippenbekenntnisse?
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Es müsste aufhorchen lassen, wenn ein Friedrich Merz, einer der drei Vorsitzkandidaten der CDU, der Normalisierung der AfD Vorschub leistet, wenn er sagt, er hätte schon längst einen Bundestagsvize der AfD gewählt. Auch wenn er sich ansonsten bisher gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD ausspricht. Aus meiner Sicht hat er aber auch Defizite in Demokratietheorie. Er sieht den demokratischen Staat einfach nur als Erfüllungsgehilfen für die Wirtschaft. Trotzdem ist er Favorit bei Umfragen zum CDU-Vorsitz! Tut es aber nicht.
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Es müsste aufhorchen lassen, wenn halb-prominente CDU-Mitglieder in einer AfD-Stiftung saßen und den explizit faschistischen Flügel der AfD stützen. Tut es aber nicht!
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Es müsste aufhorchen lassen, wenn die CDU die Werteunion, die nichts mit irgendwelchen Werten zu tun hat, weiterhin duldet! Tut es aber nicht!
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Es müsste aufhorchen lassen, wenn Thomas Kemmerich, kurzfristiger Landeschef in Thüringen von Gnaden der AfD, weiterhin Landesvorsitzender der FDP und weiterhin Vorsitzender der FDP-Fraktion in Thüringen bleiben darf. Tut es aber nicht!
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Es müsste aufhorchen lassen, wenn ein Bundesinnenminister eine Studie zu Rassismus und Polizeigewalt ablehnt, wo das strukturelle Problem in den Sicherheitsbehörden doch so offensichtlich ist! Tut es aber nicht.
„Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen“
(Primo Levi, 1919-1987)
Zum Ende der Weimarer Republik haben Konservative (Zentrum) und Liberale (DNVP, DVP, DStP) dem Ermächtigungsgesetz zugestimmt und damit den Weg in den Faschismus geebnet. Und es gilt weiterhin: Ob der Faschismus in einem Staat an die Regierung kommt, liegt am Ende nicht an der Antifa, sondern daran, ob Konservative und Liberale den Faschist*innen den Steigbügel halten!
Und an diesem Scheideweg sind Konservative und Liberale wieder. Sie müssen sich entscheiden, wollen sie die kapitalistisch-demokratische Verfassung der westlichen Welt stärken, oder wollen sie sich mit AfD und Konsorten für einen faschistisch-neoliberalen Kapitalismus entscheiden?
Wollen Konservative und Liberale wieder die Steigbügelhalter für den Faschismus werden oder wollen sie demokratisch bleiben? Das ist die Gretchenfrage!
Dazu gehört aber auch, Antifaschismus nicht als Problem, sondern als Selbstverständlichkeit anzusehen, und die demokratischen Werte in den Sicherheitsbehörden zu stärken! Die Blindheit auf dem rechten Auge der Sicherheitsbehörden muss endlich beendet werden!
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