Stellen Sie sich bitte vor, Sie sitzen in einem Restaurant. Ein paar Tische weiter kommt es zu einem Streit, weil ein Gast ein Schweinelendchen bestellt. Ein anderer Gast am Nebentisch regt sich auf, weil Schweinefleisch nicht in sein Weltbild passt. Er ist kein Vegetarier und auch kein Veganer. Es sind religiöse Gründe, aus denen sich die Person am Nebentisch echauffiert. Er greift seine Gabel und sticht auf den Gast ein, der Schweinelendchen bestellt hatte.
Natürlich fühlen Sie sich nicht wohl in dieser Situation. Würde es Ihnen irgendwie helfen, wenn die Türen des Restaurants aufgrund der Attacke von innen verschlossen werden? Fühlen Sie sich nun sicherer?
Es soll hier im Grunde nicht um religiöse Meinungsverschiedenheiten gehen und auch nicht um das „Ja oder Nein“ in Bezug auf Fleischkonsum. Der Streit bzw. die Auseinandersetzung im Restaurant hätte auch durch etwas anderes ausgelöst werden können. Eine Person zündet sich eine Zigarette an und verstößt damit gegen Regeln oder es fühlt sich jemand beleidigt durch einen falschen Blick. Es geht vielmehr um die Maßnahme, die getroffen wurde.
Anlass für diesen Text sind die Messerattacken auf Passant*innen religiöser Extremist*innen auf andere Mitbürger*innen in verschiedenen europäischen Ländern und die Reaktion darauf.
Diese Angriffe sind widerwärtig und zu verurteilen. Natürlich müssen Maßnahmen zur Prävention öffentlich diskutiert werden, aber ist eine Abriegelung der europäischen Außengrenzen in Bezug auf solche Vorkommnisse in irgendeiner Weise hilfreich und somit sinnvoll?
Wir könnten auch jegliche Messer innerhalb von Europa verbieten, um Messerangriffe zu verhindern. Und wenn wir schon dabei sind, erweitern wir das Ganze auf Gabel, Schere, Licht. Ja, absurd. Das ist schließlich aus einem Reim für kleine Kinder.
Dass die Verstärkung der Außengrenzen Europas zu einer Deeskalation innerhalb von Europa führen könnte und dadurch die Sicherheit erhöht wird, ist jedoch eine Argumentation, die für kleine Kinder geeignet wäre und nicht für mündige Bürger*innen. Warum also dieser Schritt in Richtung Abschottung? Aus meiner Sicht ist es eine Legitimation für den Ausbau von Frontex, der europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache mit Hauptsitz in Warschau. Nach der EU-Strategie der inneren Sicherheit soll Frontex in Zukunft einen stärkeren Beitrag zur Kriminalitätsbekämpfung an den Grenzen leisten. Frontex wird durch solche an den Haaren herbeigezogenen Begründungen legitimiert, obwohl es immer wieder Kritik an der Agentur aufgrund von Menschenrechtsverletzungen gegeben hat.(Wikipedia, Tagesschau, Report Mainz, Amnesty International)
Der politischen Ausrichtung von Staaten wie Polen, Ungarn und Co., die auf Abschottung setzen, kommt es natürlich sehr entgegen, wenn sie durch solch fadenscheinige Aktionen Unterstützung von anderen europäischen Politiker*innen ihrer EVP-Fraktion erhalten.
Als Europäer*innen haben wir für den Mauerbau von Donald Trump an der Grenze zu Mexiko zwar nur verächtliches Kopfschütteln übrig. Aber wenn die Grenzen um Europa erstmal stehen, werden wir als europäische Gemeinschaft wahrscheinlich wieder in einer Veto-Situation aufwachen, in der die Visegrad-Staaten die bekannte Bad-Boy-Rolle übernehmen. Unterdessen waschen sich Staaten wie Deutschland, Frankreich und Österreich ihre Hände in Unschuld. So läuft das halt in unserer Wertegemeinschaft.
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