Der Koalitionsvertrag ist nun druckreif. Die neue Koalition aus Grünen, SPD und VOLT hat schon ihre Arbeit aufgenommen. Der Wille der Koalition für eine fast autofreie Innenstadt hat hohe Wellen geschlagen. Die Opposition schäumte. Wir haben uns Münsters Politik ins Studio geholt und die einzelnen demokratischen Akteur*innen zum Stand der Dinge befragt. Hier das Interview mit Tim Pasch, Stadtrat für die Partei VOLT.
Das Interview hat Jan Große Nobis am 9. März 2021 mit Ratsherrn Tim Pasch geführt.
Jan Große Nobis: Hallo liebe Hörerinnen und Hörer. Heute sprechen wir mit Tim Pasch der für die Partei VOLT im Stadtrat der Stadt Münster sitzt.
Der Koalitionsvertrag ist verabschiedet, die neue Koalition aus Grünen, SPD und Volt nimmt ihre Arbeit auf. Volt ist eine der Junior-Partnerinnen in der Koalition. Wir fragen nach, wie es sich für Volt anfühlt, nach erstmaligem Einzug direkt an der Regierung beteiligt zu sein.
Und wir fragen, was die erzielten Ergebnisse von Volt sind und was sie nicht umsetzen konnten.
Hallo Herr Pasch, von Null auf Hundert. Sie sind neu im Stadtrat und schon an der Regierung beteiligt. Wie fühlt sich das an?
Tim Pasch: Ja, Hallo erstmal. Das fühlt sich großartig an. Das wir Verantwortung übernehmen können, dass ist auch unser Ziel gewesen. Damit sind wir in der Wahl angetreten, um Sachen zu verändern und nun übernehmen wir die Verantwortung. Das ist, glaube ich, für alle bei uns eine sehr aufregende Zeit und es macht auch Spaß, Dinge anpacken zu können und dann auch in die Wege zu leiten.
Sie sind Neulinge bei den Koalitionsverhandlungen gewesen. Sind sie fair behandelt worden?
Also die Behandlung war, auch wenn man mal ganz ehrlich ist, auch aus meiner Sicht, von Anfang an – zu meiner Überraschung – sehr fair und wir haben dann im weiteren Verlauf sehr konstruktiv und sachlich die einzelnen Punkte diskutiert, die Punkte ausgelotet und sind dann auch wirklich zu sehr guten Schlussfindungen gekommen. Also, konnten auch sehr gut Konsens bilden. Wie gesagt, es war ein sehr faires Klima dort.
Die Digitalisierung der Stadtgesellschaft und der Stadtverwaltung sind ihre Schwerpunkte. Das Kapitel zu dem Thema im Koalitionsvertrag ist dagegen nicht besonders lang. Sind trotzdem alle Aspekte der Digitalisierung berücksichtigt?
Da muss ich ganz kurz mal reingrätschen. Die Digitalisierung ist nicht unser einziger Schwerpunkt. Wir sehen uns natürlich auch im Punkt Europa, soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Dort haben wir sehr viele Punkte, die uns wichtig sind.
Aber die Digitalisierung und auch die Innovation gehört mit dazu. Die Digitalisierung im Wahlprogramm nimmt jetzt nicht den größten Platz ein. Das ist aber auch nicht schlimm, weil die wichtigen Kernpunkte sind mit dabei. Als Beispiel würde ich hier die Ausweitung der Münster-App nennen. Die Münster-App gibt es zwar, aber die ist noch nicht komplett verbreitet in der Stadtgesellschaft.
Aber wir wollen, dass sie ein sehr guter Einstieg wird, um in Münster sich einzuleben und auch in Münster in Bewegung und aktiv zu bleiben. Das bedeutet zum Beispiel auch für uns, dass Mobilitätsanbieter, wie die Stadtwerke oder auch andere, dort mit Angeboten drin sind und man quasi in einer App alles unter einem Dach und Fach findet.
Die FDP fordert Tablets für alle Schüler*innen und das sofort. Im Koalitionsvertrag steht, dass dieses Ziel erst bis zum Ende der Legislaturperiode 2025 erzielt werden soll. Ist die Forderung der FDP in Zeiten einer Pandemie nicht zielführender?
Also, wenn man ganz ehrlich ist, zielführend ist es, wenn man ein gutes Konzept hat. Und das gute Konzept haben wir zusammen mit den jeweiligen Sprecher*innen der jeweiligen Schulformen geführt und haben da auf sehr konstruktiver Basis uns angeschaut, was brauchen die Schulen wann. Es ist nicht zielführend 18.000, 15.000 oder wie viele Tablets auch immer, auf einen Schlag in jede Schule zu stellen und dann kann das nicht umgesetzt werden, weil die technischen Mittel oder andere Sachen dazu fehlen, das W-LAN nicht ausgebaut ist und alle anderen Punkte.
Und deshalb haben wir uns auf den Plan geschrieben, bis 2025 das umzusetzen, haben dazu ein Konzept erarbeitet und mal ganz abgesehen davon ist natürlich auch noch die Finanzierung in jetzigen Zeiten eine wichtige Frage. Wir wollen dadurch, dass wir Verantwortung übernommen haben auch einen stabilen Haushalt sicherstellen und deshalb haben wir uns für diese Variante entschieden.
Volt nennt sich Paneuropäisch. Ist genug Europa im Koalitionsvertrag?
Durchaus. Das Kapitel Europa ist in dem Kapitel Europa und Internationales zu finden. Das ist jetzt auch nicht wieder das längste Kapitel, aber der europäische Faden zieht sich quasi durch den ganzen Koalitionsvertrag. Wir haben aber auch Kernpunkte der Integration und auch des europäischen Denkens mit in den Vertrag reingebracht.
Durch zum Beispiel „Seebrücke unterstützen“ und die Patenschaft für ein Seenotrettungsschiff?
Genau, solche Punkte sind mit drin, aber auch die Hilfe vor Ort und die Integration vor Ort, seien es jetzt Sprach-Kitas oder auch wenn es darum geht, dass man eine Anlaufstelle hat für alle Sorgen, für alle nötigen Hilfen, die man braucht. Die schaffen wir dann auch dort.
Sie wollen ein Gegengewicht zu nationalistischen und populistischen Bestrebungen in Europa setzen. Was soll die Stadt konkret in diesem Punkt umsetzen?
Also, Populismus ist eine Form der Kommunikation und der politischen Strategie, die wir absolut nicht schätzen können, sondern der wir uns entschlossen entgegen stellen müssen.
Das machen wir, indem wir als Politik, aber auch als Stadt, mit gutem Beispiel voran gehen. Das heißt konstruktiv und sachlich für eine Sache stehen und nicht unsachlich populistisch, opportunistisch und vor allem, schlimmerweise häufig auch sehr polarisierend für eine Minderheitenmeinung Werbung machen. Wir wollen als Beispiel voran gehen und progressiv und auch konstruktiv die Stadt gestalten.
Sie wollen sich für nachhaltigen Frieden in Europa und weltweit einsetzen. Fehlen da nicht friedenspolitische Gegenpole der Friedensstadt Münster gegen die Garnisonsstadt Münster?
Das ist eine komplexe Frage und damit verlassen wir die Münster-Ebene schon so ein bisschen, wenn wir dann das europäische und das weltweite Bild in den Blick nehmen. Europäisch steht Volt dafür, nationale Armeen zurück zu bauen und eine europäische Armee, die aber nicht außerhalb von Europa agieren soll, zu etablieren.
Also eine Verteidigungs-Armee anstatt einer Interventions-Armee?
Genau. Und das Ganze auch noch in einem schlankeren und einheitlicheren Maß. Das heißt, wir sparen auf der einen Seite Geld und rüsten ab.
Der Koalitionsvertrag hat neben Digitalisierung die autofreie Innenstadt und Gleichstellung im Programm. Das sind ja auch Forderungen von Volt. Sind dort wichtige Aspekte, die Volt gerne umgesetzt haben wollte, trotzdem hinten herunter gefallen?
Ich glaube, wenn man das Ganze mal ganz ehrlich betrachtet… In einem Koalitionsvertrag einigt man sich immer auf einen Kompromiss. In allen Dingen. Man geht aber natürlich als Partei immer nur soweit mit, bis eine rote Linie im gewissen Maß da ist. Bei verschiedenen Punkten waren mal wir, war mal die SPD und mal die Grünen an dieser roten Linie dran. Das hat man auch vielleicht in der Öffentlichkeit ein bisschen mitbekommen, weil es ein paar Themen gab, wo es ein bisschen schwieriger wurde. Aber mir fällt jetzt kein Thema ein, wo es bei uns wirklich sehr nah dran war, dass wir gesagt haben, „das geht gar nicht“. Wir sind auch sehr glücklich, dass wir so viele Punkte mit reingebracht haben, von unserem Wahlprogramm und das ist eigentlich für uns das Wichtige.
Also gab es keine schmerzhaften Kompromisse?
… Da muss ich jetzt ein bisschen länger überlegen. Der Teufel liegt oft im Detail und dann hat man sich, bevor es schmerzhaft wurde, hat man sich irgendwie auf einen Mittelweg doch noch einigen können.
Ich danke für das Gespräch.
Ich danke dafür, dass ich da sein durfte.
Kommentar hinzufügen