Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen will ein neues Versammlungsgesetz für NRW verabschieden. Bisher gab es kein eigenes Landesgesetz – Versammlungen in NRW wurden nach Bundesrecht geregelt.
Seit der Föderalismusreform 2006 können die Bundesländer eigene Versammlungsgesetze verabschieden. Und diese Möglichkeit will Innenminister Herbert Reul nun nutzen.
Er hatte schon im Vorfeld versucht, Versammlungen unter Corona-Bedingungen vollständig zu verbieten und eine Maskenpflicht unter dem Deckmantel des Vermummungsverbots zu verhindern1. So mussten auch die ersten Kundgebungen gerichtlich durchgesetzt werden2, 3.
Nun also ein NRW-eigenes Versammlungsgesetz: Schon aus dem Gesetzentwurf geht aber hervor, dass das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit „staatsstabilisierend“ wirken solle. Kritiker*innen aber sagen, dass die Versammlungsfreiheit für alle Menschen gelte, egal ob diese staatliches Handeln infrage stellen oder nicht. Die Kritik an der Regierung sei schließlich der Sinn des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit!
So werden durch den Gesetzentwurf5 auch wieder gerichtlich bestätigte Freiheiten beschnitten: Es wird kritisiert, dass Demonstrationsanmelder*innen haftbar gemacht werden sollen, wenn jemand aus einer Versammlung heraus eine Straftat begangen hat. So sollen Störungen von Versammlungen, die die Durchführung einer Versammlung „wesentlich […] erschweren“, verboten sein (Sind das schon Trillerpfeifen?). So soll die Polizei die Namen der Ordner*innen niedrigschwellig anfordern dürfen. Der Name des*r Anmelder*in soll veröffentlicht werden müssen – und das, obwohl bekannt ist, dass diese Menschen dann gerne von Nazis bedroht werden können. Das Militanz- und Uniformierungsverbot ist auch sehr unbestimmt formuliert: So kann man dies auch so auslegen, dass einheitliche T-Shirts der Veranstalter*innen darunter fallen können (also auch Gewerkschafts-T-Shirts6) oder das eindringliche Rufen von einheitlichen Parolen aus einer Versammlung heraus.
Damit werden Regelungen aus Verfassungsgerichtsentscheidungen zum Versammlungsrecht, die zur Wahrung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit dienen, außer Kraft gesetzt. So hat das Bundesverfassungsgericht im sogenannten Brockdorf-Urteil7 weitreichende Freiheiten für Versammlungen definiert, die Innenminister Reul wieder einschränken will. Oder das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Blockaden8, wonach Sitzblockaden erlaubt sind, um „Aufmerksamkeit zu erregen und auf diese Weise einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten“. So seien nur Blockaden verboten, die dauerhaft das Anliegen des Gegners (Verhinderungsblockaden) beeinträchtigen. Mit dem Störungsverbot wird dies wieder eingeschränkt.
Rechtsanwalt und Spezialist für Demonstrationsrecht Jasper Prigge schreibt deshalb auch, dass der Gesetzentwurf „Versammlungen mehr als Gefahr denn als Grundrecht“9 sehe. Und weiter: „Ganz in diesem Sinne ist auch der Gesetzesentwurf zu verstehen. Es geht nicht darum, ein moderndes und freiheitliches Versammlungsgesetz zu schaffen. Es geht darum, Versammlungen zu erschweren.“
In Münster veranstaltet das „Bündnis Keinen Meter den Nazis“10 viele Demonstrationen – auch Gegendemonstrationen gegen die extrem rechte AfD. Deshalb hat Bündnissprecher Carsten Peters uns im Bennohaus besucht und wir haben ihn im Interview gefragt, was er vom Gesetzentwurf zum neuen Versammlungsgesetz hält.
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