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Warum Diversität in Büchern wichtig ist

Ein Kommentar von Katharina Tewes

Als eine Person, die gerne und viel liest, freue ich mich immer, wenn ich einen Charakter kennenlernen darf, mit dem ich mich identifizieren kann. Dann fühle ich mich gleich angesprochen und habe das Gefühl, näher am Geschehen zu sein. Gerade als Kind hatte es auch noch einen Vorbildfaktor von Heldinnen zu lesen, mit denen ich mich identifizieren konnte.
Dadurch, dass es im Fantasy-Genre immer mehr weibliche Hauptcharaktere gab, wurde es auch immer leichter, Vorbilder in Büchern zu finden. Doch für viele ist es dennoch schwer, Charaktere zu finden, die so sind, wie man selbst.

Viele Autor*innen schreiben für die breite Masse, sie wollen mit ihren Büchern ein großes Publikum erreichen. Diese Masse spiegeln auch die Charaktere der Bücher wider.
Die Charaktere sind also einer Norm angepasst, damit sich möglichst viele Leute beim Lesen angesprochen fühlen. Auf Deutschland bezogen wäre diese Norm, dass die Hauptcharaktere deutsch, weiß, männlich, heterosexuell, dünn, gesund, christlich und ohne Behinderung sind. Entspricht man selbst nicht dieser Norm, wird es schon schwieriger Bücher zu finden, in denen Menschen, wie man selbst, vorkommen.

Wir leben in einer Welt, in der Diversität eine große Rolle spielt und auch wenn es mittlerweile immer mehr Autor*innen gibt, die Bücher schreiben, deren Charaktere nicht der (deutschen) Norm entsprechen, gibt es immer noch zu wenig Bücher mit guter Repräsentation von Diversität.

Und gute Repräsentation ist wichtig, gerade für Kinder und Jugendliche. 

Doch erst einmal, was bedeutet Diversität eigentlich? 

Der Begriff Diversität bezieht sich auf individuelle, soziale und strukturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Menschen. Wichtig sind hier die Unterschiede, die noch oft zu Diskriminierung führen.

Diese Unterschiede sind zum Beispiel Geschlecht, ethnische Herkunft, Religion und Weltanschauung, sexuelle Orientierung oder Behinderungen.
Auf Deutschland bezogen, gehört man also zum Beispiel nicht zur Norm, wenn man LGBTQ+ oder PoC ist, eine psychische oder chronische Erkrankung hat oder nicht männlich ist, etc.

Was bedeutet LGBTQ+?
LGBTQ+ ist eine Abkürzung für lesbisch, schwul, bisexuell, trans und queer, wobei das Plus für viele weitere Begriffe steht. Die Abkürzung steht also für alle Menschen, die nicht heterosexuell sind und/oder sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren, dass ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde.

Was bedeutet PoC?
PoC steht für People of Colour, eine Selbstbezeichnung von Menschen, die Rassismus erfahren.

Diversität ist also doch keine ganz so kleine Nische unserer Gesellschaft. Dennoch sind es Eigenschaften, die für Diskriminierung sorgen, weil sie nicht als “normal” angesehen werden.
Ein Grund dafür, mehr Bücher mit diversen Charakteren zu schreiben und zu bewerben, da man so zeigen würde, dass Unterschiede uns nicht “anders” machen, sondern normal sind.

Warum ist gute Repräsentation von Diversität wichtig?

Wie schon erwähnt, sind ein großer Punkt von Diversität, die Unterschiede zwischen den Menschen einer Gesellschaft. Diese Unterschiede werden in großen Teilen der Gesellschaft aber noch nicht als normal angesehen. Bücher können dabei helfen, die Sachen zu normalisieren, die schon längst normal sein sollten. Sie können vor allem dabei helfen, Klischees und Vorurteile aufzubrechen, wenn die Diversität gut dargestellt wird.

Außerdem macht es die Bücher und Geschichten realistischer, wenn nicht alle Charaktere einem Schema entsprechen, schließlich kennen wir alle andere Menschen, die sich in irgendeinem Merkmal von uns selbst unterscheiden. Und sei es nur etwas Kleines, wie jemanden zu kennen, der*die eine Brille trägt. Mir fallen spontan nicht so viele Held*innen ein, die eine Brille tragen, Harry Potter mal ausgenommen. Wenn man aber überlegt, wie viele Menschen man mit Brille kennt, fallen einem direkt ein paar mehr Namen ein.

Manche Autor*innen meinen auch, dass sie ihre Charaktere in keine Schublade stecken wollen und deshalb zum Beispiel die sexuelle Orientierung nicht benennen, um so diversere Charaktere zu schaffen. Dabei ist immerhin der Wille schon einmal da, reichen tut dies aber auch nicht.

Wir leben aktuell noch in einer heteronormativen Gesellschaft, also eine Gesellschaft, in der davon ausgegangen wird, dass man männlich oder weiblich und heterosexuell ist. Wird ein Charakter also nicht als Teil der LGBTQ+ Community beschrieben, wird davon ausgegangen, dass dieser kein Teil davon ist. Abgesehen davon, dass Diversität in unserer Gesellschaft normalisiert werden muss, sollte es zumindest für Kinder und Jugendliche die Chance geben, Vorbilder in Büchern zu finden, die so sind wie sie.

Findet man Charaktere in Büchern, mit denen man sich identifizieren kann, sorgt das dafür, dass es einem leichter fällt, sich selbst zu akzeptieren und zu mögen, was vor allem jungen Menschen helfen kann, die aufgrund von Unterschieden zu ihren Mitmenschen Diskriminierung erfahren.

Damit dies funktioniert, braucht es aber auch Charaktere, die nicht der Norm entsprechen. Es muss vor allem auch Vielfalt innerhalb der Nischen geben. Wenn ich Charaktere schreiben will, die die LGBTQ+ Community repräsentieren, reicht es nicht, wenn ich nur schwule Charaktere schreibe. Um bei diesem Beispiel zu bleiben, es gibt so viel mehr Sexualitäten, über die noch sehr viel weniger geschrieben wird. Warum also nicht mal über einen asexuellen, panromantischen oder nicht-binären Charakter schreiben? 

Was bedeutet asexuell?
Asexualität beschreibt die fehlende sexuelle Anziehung gegenüber anderen Menschen.

Was bedeutet panromantisch?
Menschen, deren romantische Anziehung nicht auf dem Geschlecht der anderen Person basiert.

Was bedeutet nicht-binär?
Nicht-binäre Menschen sind weder männlich noch weiblich.

Und wie erkennt man gute Repräsentation?

Dadurch, dass die Nachfrage nach Büchern mit diversen Charakteren steigt, gibt es langsam, aber sicher auch immer mehr davon. Das hört sich ja erst einmal gut an, da es genau das ist, was sich so viele wünschen. Dennoch ist Repräsentation nicht immer direkt auch gute Repräsentation. Es gibt noch genug Bücher, in denen zwar diverse Charaktere vorkommen, die aber auf verschiedene Arten falsch eingebaut wurden, wodurch ich es als keine gute Repräsentation bezeichnen würde.

Oft wird noch viel mit Klischees und Vorurteilen gearbeitet, was oft nicht mal Absicht ist, sondern einfach durch Unwissenheit geschieht. Durch mangelnde Recherche bauen Autor*innen also vielleicht Klischees ein, mit dem eigentlichen Gedanken, es so authentisch erscheinen zu lassen. Aber gerade diese Klischees sind etwas, dass man ja eigentlich weg haben möchte. Oft wird man mit diesem im Alltag auch schon genug konfrontiert, dann möchte man darüber nicht auch noch lesen. Zu diesen Klischees gehören auch viele Handlungsstränge, die oft auftauchen, aber nicht wirklich zur guten Repräsentation beitragen. Solche Handlungsstränge sind zum Beispiel der schwule beste Freund oder auch dass der einzige neurodiverse Charakter nur durch die “Andersartigkeit” definiert wird.

Um solche Fehler zu vermeiden, sollte man als Autor*in mit sogenannte “sensitivity reader” zusammen arbeiten. Deren Aufgabe ist es, sensible Themen auf ihre Richtigkeit zu prüfen, damit diskriminierende und stigmatisierende Aussagen verhindert werden können.

Außerdem sollte Diversität auch nicht erst nachträglich eingebaut werden, nur weil die Nachfrage danach steigt. J. K. Rowling hat, um ein Beispiel zu nennen, nachträglich in einem Interview zu den Harry-Potter-Büchern, die Information hinzugefügt, dass der Hogwarts-Schulleiter Albus Dumbledore eigentlich schwul ist. Darüber wird in den Büchern aber nie etwas gesagt und auch in den Filmen hat man dazu nichts gesehen.

So etwas nennt man “Queerbaiting”, also das Anlocken einer Zielgruppe, in dem Fall die LGBTQ+ Community. Beim Queerbaiting wird darauf gezielt bei gleichgeschlechtlichen Charakteren eine romantische Stimmung aufzubauen, damit die Hoffnung entsteht, dass diese Charaktere eventuell ein Paar werden könnten. Letztendlich passiert aber nichts in diese Richtung, wodurch keine Repräsentation stattfindet. Stattdessen sollten die Eigenschaften, die die Charaktere divers machen, natürlich in die Handlung eingebaut werden. Ein positives Beispiel hierfür sind die Percy-Jackson-Bücher von Rick Riordan.

In den Büchern haben die Charaktere verschiedene Sexualitäten, Geschlechtsidentitäten, Hautfarben und ökonomisch-soziale Hintergründe. Das sind aber nicht die einzigen Eigenschaften der Charaktere, wodurch aus den Charakteren Individuen entstehen, die sich voneinander unterscheiden. Vielfalt wird dargestellt, ohne dass Stereotypen genutzt werden. Sucht man nach Büchern, die sich gut mit den verschiedenen Themen auseinandersetzen, kann man sich mittlerweile aber auch sehr gut vorher über das Internet informieren, da Diversität mittlerweile ein Punkt ist, der in Rezensionen oft genannt wird.

Welche Bücher haben denn gute diverse Charaktere?

Nachdem ich jetzt erklärt habe, wie es nicht gemacht werden sollte, habe ich auch ein paar Bücher rausgesucht, die Diversität und Vielfalt gut darstellen oder sich allgemein damit beschäftigen. 

 1. Das Lied der Krähen/Das Gold der Krähen von Leigh Bardugo

Genre: Young Adult, High Fantasy
Diversität: LGBTQ+, Menschen mit Behinderungen, People of Color

2. alle Buchreihen von Rick Riordan: Percy Jackson, die Helden des Olymp, die Kane-Chroniken, Magnus Chase, die Abenteuer des Apollo

Genre: All Age, Jugend Urban Fantasy
Diversität: LGBTQ+, Neurodiversität (z.B. ADHS, Legasthenie), Menschen mit Behinderung, People of Color 

3. Schattenjäger-Buchreihen von Cassandra Clare: Chroniken der Unterwelt, Die roten Schriftrollen, Chroniken der Schattenjäger, Lady Midnight

Genre: Urban Fantasy
Diversität: LGBTQ+, People of Color, Autismus

4. verschiedene Jugenbücher: Ich gebe dir die Sonne von Jandy Nelson, Was ist mit uns von Becky Albertalli und Adam Silvera (die beiden haben generell auch noch mehr Jugendbücher mit diversen Charakteren geschrieben)

Genre: Young Adult
Diversität: LGBTQ+, People of Color

5. Queer Heroes von Arabelle Sicardi und Sarah Tanat-Jones

Genre: Biografien
Diversität: LGBTQ+, People of Color

Katharina Tewes

Bufdi aus Klein-Muffi, Vollzeit-Geek, Bücherwurm

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