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Musik zum Leben erwecken

Tonstudios –  die Orte an denen aus Gesang und Klängen das entsteht, was sich heutzutage jeder über Spotify und Co. anhören kann. Als Besitzer des Tonstudios Starstreet hat Jochen Hohmann seine Leidenschaft zur Musik zum Beruf gemacht. Er erzählt uns heute etwas über die Geschichte des Studios und darüber, wie er selbst zur Musik gefunden hat.

Könntest du einmal erzählen wer du bist und was du machst?

Mein Name ist Jochen Hohmann, ich bin der Inhaber der Starstreet Studios und wir befinden uns hier auf der Sternstraße. Ich hatte, als ich das Studio gegründet und den Namen gesucht habe, eine amerikanische Freundin und die gab mir die Idee: „Übersetze den Straßennamen doch einfach auf Englisch.” Und so ist das entstanden. Ins Studio kommen Künstler*innen hin – große, kleine Künstler – und mein Hauptgeschäft sind Junggesellenabschiede. Allgemein begleite ich oft Gruppenaufnahmen. Im Karneval bin ich zum Beispiel sehr aktiv. Viele Karnevalsvereine kommen hier her, unter anderem die Jugendprinzengarde. An bekannten Künstlern, die ich hier produziert habe, ist vielleicht der Nick von „Ein Stern der deinen Namen trägt“ zu nennen, also Nick mit c, nicht der Sänger der den Song mit DJ Ötzi gemacht hat, sondern der, der ursprünglich den Hit von „Ein Stern“ hatte. Von seinem letzten Album haben wir acht Titel hier produziert. Man findet die Produktionen von mir auch regelmäßig in den Schlagercharts und viele Rapper kommen ebenfalls hier hin, also ein sehr breit gefächertes Arbeitsfeld. Von Gruppenaufnahmen über Hörbücher, über Schlagerproduktionen, über internationale Produktionen mache ich hier sehr viel. Manchmal arbeite ich auch als Ghostarbeiter, das heißt ich tauche nicht immer mit meinem Namen auf, sondern arbeite mit verdeckten Namen für Plattenfirmen.

 

War es schon immer dein Plan einen beruflichen Weg dieser Art (Bezug Musik) einzuschlagen?

Also richtig geplant habe ich das eigentlich nicht, aber mein Wunsch ist es schon immer gewesen. Als ich vierzehn war, hatte ich ein Klavier und habe damals einen Kassettenrekorder hingestellt und angefangen zu komponieren. Das waren dann meine ersten Kompositionen, die ich meinem Klavierlehrer vorgespielt habe. 1990 habe ich zum Abitur von meinem Vater einen Atari-Computer geschenkt bekommen und das war dann mein Einstieg in die Musikwelt. Ab 1992 habe ich dann für ein Label hier in Münster Musik im Radio gemacht und ab 1998 meine ersten Platten selber veröffentlicht. Da habe ich dann jemanden von einem Label aus Karlsruhe kennengelernt. Der kam hier hin und wir haben zusammen unsere ersten Lieder produziert. Das war eine interessante Zeit. Die Lieder waren auch einigermaßen bekannt und wenn man auf den DJ-Meetings und den großen Konvents war, wo auch ganz großen Leute dabei waren, dann war das schon irgendwie toll. Ab 2001 habe ich daraufhin mit Geschenk-CDs angefangen, die Kunden haben oft für den Partner oder jemand anderes ein Lied aus dem GEMA-Repartoire nachgesungen und aufgenommen. Ich habe allerdings die gesamte Zeit ab 1998 hauptberuflich für ein Hochzeitsmagazin gearbeitet und habe die Musikaufnahmen nur nebenberuflich betrieben. Ich habe mich dann erst ab 2012 selbstständig gemacht. Vorher lief das nebenher. In den letzten 11 Jahren habe ich selber gemerkt: Wenn man das den ganzen Tag macht, dann verbessert man seine Fähigkeiten. Die Arbeit wird besser. Die Arbeitsergebnisse werden besser und das Gefühl für Musik wird besser.

Was ist die Entstehungsgeschichte des Tonstudios?

Das ist interessant, mein Opa hatte ab 1905 eine Jutesack-Näherei, die war ungefähr da wo heute das Jovel ist und ab 1946 nach dem Ende des Krieges wurde das hier in der Sternstraße wieder eröffnet. Die haben also dann mit mehreren Leuten die Ruinen abgeklopft und hier das Gebäude mit viel Zement aufgebaut. Hier waren 10 Näherinnen beschäftigt und ein Mann, der die Kohlesäcke ausklopfen musste. In diesem Raum, in dem wir gerade sind, befand sich ein Transporterraum , die Wand war damals natürlich noch nicht drin. Danach, ab 1967, befand sich hier eine Unternehmung, die Bürokleidung hergestellt hat, das war aber nicht erfolgreich und deswegen war ungefähr 1982-87 die Zeitschrift Ultimo hier, damals noch ein kleines DIN A5 schwarzweiß Magazin. Jetzt ist hier im zweiten Stock seit 1986 eine Karateschule und ich bin in diesem Raum seit 2007. Das zur Geschichte.

Was kann man als Kunde alles in deinem Studio machen?

Eigentlich alles, was mit Musik zu tun hat, in jeder Musikrichtung: Musikproduktion, Hörbücher, Gruppenaufnahmen, Firmenfeiern, Junggesellenabschiede und Rap mache ich beispielsweise manchmal auch. Was ich hier nicht mache, aufgrund der Lautstärke, sind Schlagzeugaufnahmen. Aber alles, was mit normalen Instrumenten zu tun hat, biete ich an.

Was magst du an deinem Job am liebsten?

Also am meisten Spaß machen mir die ganz normalen Gesangsaufnahmen, weil damit alles angefangen hat. Am liebsten mag ich es, Mikrofone zu sammeln und aus einer Stimme, die überhaupt nicht singen kann, etwas rauszuholen, was dann nachher gut klingt. Das ist immer ein toller Effekt, jemanden zu haben, der es eigentlich nicht kann und der dann nachher klingt, wie ein Profi. Und dann gefällt mir natürlich das herumbauen an den Liedern, so dass das Ganze, was eigentlich nichts war, sich nachher nach viel anhört. Aber 95% dessen, was man als Studio macht, ist eigentlich Musik, die keiner braucht, so sag ich das immer. Damit wird das meiste Geld verdient. So ist das Geschäft einfach. Das sind also nicht immer Profis, sondern oft Amateure, die vielleicht für Geschenk-CDs für ihren Partner etwas machen wollen oder Schlagersänger, die weiterkommen wollen, aber noch nie irgendeine Produktion gemacht haben.

Was war für dich die spannendste oder coolste Aufnahmesession, die du hier bisher erlebt hast?

Da waren so viele. Also bei vielen Junggesellenabschieden sind schon manchmal tolle Erlebnisse dabei. Die Stimmung, die die Leute mitbringen, das kann man gerade gar nicht so richtig porträtieren, da muss man eigentlich mal ein Video zeigen, damit man sich das vorstellen kann. Es kommen hier aber auch ganz interessante Künstler hin, auch bekanntere aus dem Schlagerbereich. Das nimmt mittlerweile zu und man tritt mit Leuten in Kontakt, die man sonst so nicht kennenlernen würde.

Was bedeutet Musik für dich persönlich?

Ist halt mein Leben. Musik ist mein Leben. Ich bin so verrückt und höre mir die Aufnahmen, wenn der Kunde weg ist immer nochmal zu Hause an. Das heißt, ich gucke, ob alles richtig war und wenn ich morgens aufstehe, lese ich als erstes alle möglichen englischen Foren über neue Musikprogramme und über neue Hardware, die rauskommt. Ich beschäftige mich schon seit den Neunziger Jahren damit. Ich habe zu der Zeit ganz viele analoge Synthesizer gesammelt, die waren damals noch billig. Die habe ich leider nicht mehr. Das konnte man damals nicht wissen, dass die irgendwann zehnmal so viel wert sind. Für ein Keyboard, für das ich damals 2000 Mark gezahlt habe, würde ich heute 15000€ bekommen. Man hat die Sachen dann einfach ganz normal verkauft und heute wären das alles Raritäten.

Insgesamt setzt man sich also viel mit dem Thema Musik auseinander, man liest Neuigkeiten, inhaliert das Ganze, muss das Ganze schon leben, man muss es mögen. So etwas kann man schwer studieren oder lernen, weil man sich damit selber beschäftigen muss. Das hat ganz viel mit autodidaktischem Lernen zu tun.

Wie gestaltet sich der Ablauf, wenn jemand kommt, um hier im Studio einen Song aufzunehmen?

Derjenige muss sich zunächst einmal warm singen. Erst folgt eine Begrüßung und ein kurzes Zeigen des Studios. Dann muss er sich wohlfühlen in dem Raum, es muss alles passen. Er muss ein bisschen was zu trinken da haben, falls die Stimme trocken wird. Außerdem muss er sich perfekt hören können. Man muss also zunächst mal einen Soundcheck machen und ich logge mich auf seinen Kopfhörer ein, um sicher zustellen, dass er sich selbst auch wirklich gut hört. Dann nimmt man immer wieder einzelne Strophen und den Refrain auf, so lange, bis es passt. Es kann also passieren, dass man acht Mal den Refrain aufnimmt und dann aus allen acht Aufnahmen, die man gemacht hat, die besten Stellen zusammensucht. Dann entsteht danach eine Art Collage, so kann man sich das am besten vorstellen. Man nimmt aber auch erst dann auf, wenn die Stimme professionell warm gemacht ist. Viele Sänger machen oft Stimmübungen, beziehungsweise Lippenbewegungen wie „brrrr“ oder irgendwas. Das muss man so lange machen, bis sich jemand wohlfühlt und man spürt es auch, wenn jemand eingesungen ist, sodass es dann irgendwann losgehen kann mit der eigentlichen Aufnahme.

Mit wem würdest du gerne mal einen Song aufnehmen?

Wir produzieren jetzt bald einen bekannten Schlagersänger und da freuen wir uns schon alle drauf. Es handelt sich um Tommy Fischer, der war so um 2008 mal ein, wie ich finde, bekannter und berühmter Schlagersänger. Es wird in nächster Zeit noch viele interessante Kooperationen geben. Ich arbeite im Augenblick für eine Plattenfirma in der Schweiz, als Ghostwriter, da werden viele spannende Projekte kommen. Auch Projekte, mit denen man jetzt noch gar nicht so rechnet.

Was wird am häufigsten aufgenommen?

Schlager. Eindeutig Schlager. Auf Platz zwei, also unabhängig von Junggesellenabschieden, die klammere ich jetzt mal aus, Rap. Rap ist dann natürlich in der jüngeren Generation sehr populär.

Hatte die Modernisierung bzw. Digitalisierung in den letzten Jahren einen Einfluss auf das Geschäft?

Das ist ganz interessant. Ich mache auch manchmal Kindergeburtstage und wenn Kinder gefragt werden, was denn in einem Tonstudio so wichtig ist, dann sagen sie als erstes : „Mischpult“ und genau das gibt es nicht mehr. Ein Mischpult braucht man nur bei großen Aufnahmen. Wenn ich jetzt in den Abbey Road Studios wäre und ein Orchester mit 85 Personen in meinem Aufnahmeraum vor mir hätte, dann muss ich für jeden einzelnen einen Mikrofonverstärker haben und das geht nun mal nicht ohne Mischpult, sonst hab ich ein ganzes Zimmer voll solcher Geräte, das klappt überhaupt nicht. Aber normalerweise arbeiten wir heutzutage alle mit einem Computer und sind, man sagt „In the box“, also im Computer. Wir haben dann einzelne Kanalzüge von Mischpulten, die wir für Audio-Aufnahmen benutzen. Das heißt also, man braucht nicht mehr als zwei oder drei Vorverstärker, man kommt mit kleinen Setups hin. Durch die Digitalisierung hat sich die Musik also insofern geändert, dass man mehr und mehr am Computer arbeitet. Man nimmt analog auf, mit echten Geräten und sobald es im Computer ist, mischt man digital. Das ist wahrscheinlich am treffendsten formuliert.

 

 

Ein Beitrag von Linn Stenert und Paula Brieden

Linn Stenert

Bundesfreiwillige im Bennohaus seit September 2022

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