OSTVIERTEL.MS

Produktdesigner Peter Kirchhoff

Wir treffen Peter Kirchhoff in seinem Designbüro, das er zusammen mit seinem Kollegen Eduard Euwens mitten im Ostviertel betreibt. Während Euwens im Hintergrund mit der Arbeit beschäftigt ist, nehmen Kirchhoff und ich an seinem Tisch unter einer ausladenden Deckenlampe Platz, deren Schirm aus Zetteln mit handgeschriebenen Zitaten besteht. Ich bin umgeben von Skizzen und Modellen, stylischen Stühlen, Töpfen, Salz- und Pfefferstreuern und anderen Küchenartikeln.

Peter Kirchhoff arbeitet seit etwa 10 Jahren im eigenen Design-Büro mit seinem Kollegen Eduard Euwens.

Bitte stellen Sie sich einmal kurz selber vor.

Peter Kirchhoff, Produktdesigner.

Also schon gerne im ganzen Satz.

Ich bin Peter Kirchhoff und bin Produktdesigner.

Wir sind hier in Ihrem Designbüro in der Querstraße, Ecke Ottostraße. Was genau passiert hier in der Werkstatt?

Hier werden Produkte entwickelt für mittelständische Industrieunternehmen, größtenteils Haushalt und Interieurs. Dieser Kupfertopf, den ich mit Eduard Euwens zusammen entwickelt habe, ist z.B. gerade mit dem German Design Award ausgezeichnet worden. Aber Kunden sind u.a. auch die Möbelindustrie und Sanitärunternehmen, ich mache viele Beschläge und Artikel für die Gastronomie.

Das ist ja schon eine ganz schöne Bandbreite. Was ist Ihr persönlicher Hintergrund, haben Sie Design studiert?

Ja genau, ich habe bei der Fachhochschule studiert. Wenn man Produktdesign studiert, geht es immer primär um Projekte und Produkte. In den letzten Jahren sind Projekte dazugekommen, wo ich dann auch eigene Produkt-Labels entwickelt habe. An diesem Standort sind wir jetzt seit gut zehn Jahren, und an den meisten Projekten haben wir auch zusammen gearbeitet. Aber ab und zu gibt’s auch etwas, was man mal einzeln umsetzt.

Neben Möbeln gestaltet Kirchhoff vor allem Produkte für den Sanitär- und den Gastronomiebereich.

Kam denn direkt nach dem Studium die Selbstständigkeit?

Relativ schnell. Ich habe zwischendurch noch bei einem Innenarchitekten gearbeitet, eine Zeitlang Interior Design gemacht, und dann ging’s eigentlich los, zunächst an einem anderen Standort. Rund um den Hafen meistens, als der noch sehr rau war. Damals sprach man noch vom Kreativkai. Außer dem Pier House und der Hafenbar gab es dort fast noch nichts, der Rest war erst noch in der Planung. Damals konnte man noch günstig Büros anmieten.

Mir geht es hier vor allem ums Licht, die Fläche und den Preis. Das hat alles ganz gut zusammengepasst.”

Wir befinden uns hier ja im Prinzip in einer reinen Wohngegend. Wie gefällt es Ihnen, dieses Ladenlokal zu nutzen?

Wir haben hier vor allem viel Licht und hinten noch ein bisschen Platz für unsere Modellbau-Werkstatt. Es ist einfach ein praktischer Ort. Und es ist wirklich nett, den Hafen in der Nähe zu haben, wenn man mittags weggehen möchte, vielleicht auch mit einem Kunden. Mir geht es hier vor allem ums Licht, die Fläche und den Preis. Das hat alles ganz gut zusammengepasst. Ich wohne auch im Ostviertel, in der Nähe vom Fernmeldeamt, also ist mein Wohnort auch gut zu erreichen.

Wie finden Sie das Viertel zum Wohnen und Arbeiten?

Das finde ich angenehm. Hier speziell ist es auch sehr ruhig. Man kann hier immer gut aus dem Fenster gucken und sehen, wer hier so vorbeikommt. Die Hauptrichtung ist natürlich dort Richtung Supermarkt, das kriegt man dann immer so ein bisschen mit. Vor allem gibt es hier eben auch keinen großen Straßenlärm oder so. Dann kann man auch mal ein bisschen vor die Tür gehen, ohne direkt…

…totgefahren zu werden…

Ja, oder dass man das Gefühl hat, irgendwen zu stören. Direkt an der Wolbecker Straße wäre das natürlich was anderes. Hier hat man seine Ruhe, den Hafen in der Nähe, die Wohnung in der Nähe, alles gut.

In einem vorangegangenen Viertelgespräch hatte ich auch schon den Illustrator Jörg Hartmann gefragt: Wenn ich mich hier im Viertel so umsehe, fallen ja schon die ganzen Designbüros und Kunst- und Modeateliers auf. Meinen Sie, dass diese Gegend für solche Sachen einen Reiz ausübt?

Ich glaube, der Reiz besteht in der Miete. Hier ist es durchaus preiswerter als im Kreuzviertel. Wenn ich mir ansehe, was an der Wolbecker Straße so in Richtung Sofacafé-Kultur passiert, was mit dem Teilchen & Beschleuniger damals angefangen hat, glaube ich, dass der Grund dafür ursprünglich vor allem die niedrigen Mieten waren.

Peter Kirchhoffs und Eduard Euwens’ Designbüro an der Ecke Querstraße-Ottostraße.

Jetzt wird hier aber auch alles teurer, oder? Der Wandel hat eingesetzt.

Ja, als der Hafen irgendwann fertig war. Also, es gibt auf der einen Seite sicherlich den Reiz dieses urbanen Viertels − klar, Coerde wäre sicherlich nicht so der Hit. Aber das hier ist auch immer noch ein Viertel, wo man preislich noch nicht ganz oben angekommen ist.

Konzentriert sich die Kundschaft denn zum großen Teil rund um Münster, oder kommen die auch von weiter her?

Münster ist ja keine Industriestadt, sondern eine Verwaltungsstadt. Von daher gibt es so gut wie keine Aufträge aus Münster, zumindest nichts wirklich Berichtenswertes. Das sind dann eher kleinere und zufällige Sachen. Aber im Umland gibt es da schon einiges. Der weiße Stuhl dort war für eine Firma aus Schöppingen. Dann haben wir noch Kunden aus Lüdinghausen, und in Stadtlohn gibt es beispielsweise auch zwei Unternehmen, die für die Gastronomie Stühle machen. Und in Emsdetten gibt es natürlich noch Emsa, die kennt man ja schon als Label. Das ist dann natürlich schon eine ganz angenehme Nähe. Von etwas weiter weg kommen dann noch Kunden aus dem Kölner Bereich hinzu, und im Sauerland sind einige Firmen ansässig, die im Sanitärbereich tätig sind, aber auch in der Metallverarbeitung. Ein besonderes Beispiel für ein neues Label, für das wir produziert haben, waren die Iserlohner Haken. Dahinter steht eine Firma aus Iserlohn, die Architekten und Designer eingeladen hat, um pro Gestalter einen, maximal zwei Garderobenhaken zu entwerfen, extra für diese Marke.

Wie sieht eigentlich Ihr Arbeitsprozess aus? Am Anfang steht immer der Auftrag von einem potenziellen Kunden?

Manchmal auch die Idee, irgendwas zu machen, was man dem Kunden vorstellen möchte.

Also die Initiative kann auch von Ihnen ausgehen?

Die liegt entweder bei uns, weil man sagt: Der Kunde muss das Produkt unbedingt machen. Da hat man dann eine gute Idee, die man dem Kunden präsentiert. Oder im umgekehrten Fall hat der Kunde eine Idee und braucht einen Produktdesigner, um sie gestalterisch umzusetzen.

Und wie geht es dann weiter? Also vom Entwurf zur fertigen Produktion?

Wenn man zum Beispiel einen Stuhl machen soll, ist es schon ratsam, ihn im 1:1-Modell zu bauen. Da überspringt man dann so ein bisschen das ganze Thema Skizzen. Die Idee oder die grundsätzliche Struktur müssen natürlich schon da sein, aber auf der anderen Seite ist es auch nicht sinnvoll, da große technische Zeichnungen zu machen, weil man’s erst mal sowieso anhand eines Modells überprüfen muss. Bei anderen Projekten sieht das anders aus, da zeichnet man erst am PC und baut kleine und große Modelle, die dabei helfen, ein Gefühl für die Proportionen und fürs Material zu bekommen.

Ich kann nichts Bestimmtes sehr gut, aber alles irgendwie.”

Also kann es sein, dass dann schon mal mehrere Entwürfe gebaut werden?

Genau, da wird dem Kunden auch vieles nicht gezeigt und zum Teil viel ausprobiert.

Dafür muss man ja sicher auch handwerklich schon sehr fähig sein. Oder wird so was dann auch zu handwerklichen Betrieben ausgelagert?

Ja, handwerklich ist es schon toll, wenn man ein bisschen was draufhat.

Sind Sie da in irgendeiner Richtung besonders fit?

Ich kann nichts Bestimmtes sehr gut, aber alles irgendwie. Wenn es für den Prototyp schon sehr gut werden soll, dann muss es der Handwerker machen. Oder es macht dann gleich die Firma, die den Auftrag gegeben hat. Es gibt da schon einige Firmen, die eine Metallbauwerkstatt haben und das dann nach meinen Zeichnungen anfertigen. Aber vorher versucht man, das dann eben ein bisschen mit Papier, Pappe oder anderen Werkstoffen wie Holz, was sich leicht bearbeiten lässt, nachzuempfinden, um ein Gefühl für den Gegenstand zu bekommen. Gerade bei so etwas wie Griffen ist das extrem wichtig. Am Rechner direkt ist so etwas schwierig. Das direkte Feedback kriege ich viel stärker, wenn ich das Material vor mir habe und nicht nur platt am Bildschirm sehe, da kann man sich nämlich schon mal vertun.

Wenn dann ein Prototyp gefertigt wird, geht man als Designer finanziell schon mal in Vorleistung?

Teilweise. Man muss da prototypmäßig häufig investieren, wenn man davon überzeugt ist.

Und wenn der Kunde dann nicht überzeugt ist?

Dann geht man eben über zum nächsten Prototyp und dann zum dritten. Und wenn es dann überhaupt nicht klappt, dann ist das eben so.

Gut zu arbeiten ist mein Schema, eine gute Idee zu haben, eine schöne Form zu finden.”

Aber ein Schema F, das man befolgen kann, um vom ersten Entwurf zum Prototyp zu kommen, gibt es nicht?

Gut zu arbeiten ist mein Schema, eine gute Idee zu haben, eine schöne Form zu finden. Es gibt da verschiedenste Methoden, aber man muss viel am Modell überprüfen, bevor man die Zeichnungen rausgibt. Das ist besser als sie rauszugeben und zurückzubekommen, weil es noch nicht gut genug ist. Oder man hat Glück.

Also gehört manchmal auch Glück dazu?

Klar, wenn man Glück hat, ist der Kunde gleich zufrieden.

Es ist bestimmt manchmal auch schwierig, in die Köpfe der Auftraggeber reinzugucken, oder?

Das sowieso, das ist ein Thema für sich.

Geht es bei den Produkten dann immer um Massenproduktion, oder gibt es dann auch mal nur Einzelprodukte?

Nur Massenproduktion. Ich habe einen Griff entworfen, der vermutlich schon 1 bis 2 Millionen Mal produziert worden ist. Wenn ein Küchenhersteller sich dafür entscheidet, dann muss er gleich 5.000 Stück davon abnehmen. Es gibt aber auch andere Griffe, von denen nur ein paar Hundert oder ein paar Tausend hergestellt wurden. Das weiß man halt vorher nicht so hundertprozentig. Das weiß die Firma auch nicht. Wenn sie es vorher wüssten, würden sie ja nur die machen, die sich viel verkaufen.

Dieser Griff ist bereits mindestens eine Million Mal produziert worden.

Was entwerfen Sie denn besonders gerne? Sie haben doch bestimmt persönliche Vorlieben.

Das kann man gar nicht so sagen. Ich finde es immer sehr schön, wenn die Sachen hochwertig umgesetzt werden und nicht irgendwie. Im mittleren oder unteren Preisbereich wird dann eben auch mal möglichst preiswert produziert. Da geht dann schon mal einiges verloren. Aber ich könnte jetzt nicht wirklich sagen, dass ich am liebsten Griffe mache oder so.

Wenn jetzt zum Beispiel dieser Griff schon im siebenstelligen Bereich hergestellt worden ist, begegnen Sie Ihren eigenen Produkten auch in Ihrer Umwelt wieder?

Ja, das kommt schon mal vor, vor allem bei Service-Artikeln. Zum Beispiel steht dieser Ständer mit der Karte im Asia-Snack in der Warendorfer Straße. Und dann sieht man das und denkt: Ach, ist ja lustig! In Geschäften gucke ich auch schon mal gezielt. Hinter dem Stadttheater gibt es einen ganz feinen Küchenladen, und da ist ein ganzes Kochservice von mir ausgestellt. Wenn das so ein guter Laden ist, dann freut mich das schon.

Entscheidend ist, dass man die DNA einer Firma kennenlernt und dadurch einfach viel zielgerichteter und erfolgreicher für sie arbeiten kann.”

Also ist auch ein bisschen Stolz mit dabei?

Ja, ein bisschen Stolz oder Eitelkeit, ist klar. Deswegen ärgert man sich auch, wenn die Produkte nur halb umgesetzt oder irgendwie verändert rauskommen.

Also kommt es vor, dass Auftraggeber da selbst noch mal in die Zeichnungen eingreifen?

Leider ja, aus Kostengründen oder aus nützlichen Gründen, z.B. wenn sie versuchen, andere Teile, die sie noch im Lager haben, weiter zu verwenden, anstatt neue Teile zu fertigen. Das ist auf der einen Seite verständlich, aber auf der anderen Seite ärgerlich, wenn es nicht zusammenpasst.

Was steht so in näherer Zukunft an?

Also, mein nächstes Projekt ist für einen Hersteller von Sanitärprodukten, für den ich einen neuen Duschkopf entwickle, der in der Art noch nicht auf dem Markt ist. Da hoffe ich natürlich, dass sich der Kunde freut, dass er sozusagen die neue Generation Duschkopf von mir bekommt. Aber das ist ein bestehender Kunde, den hab ich schon über Jahre.

Preisverdächtig: Mit diesem Topf haben Kirchhoff und Euwens den German Design Award gewonnen.

Wenn Kunden zufrieden sind, kommen sie natürlich auch wieder, oder? Kann die Kundenakquise eine Schwierigkeit darstellen, oder kommen auch schon mal vollkommen fremde Firmen auf Sie zu?

Es kommt schon mal vor, dass fremde Firmen auf mich zukommen, aber nicht unbedingt oft. Grundsätzlich ist es gut, eine Art Stammkundschaft aufzubauen, weil man dann auch den Kunden besser versteht. Manchmal ist es dann blöd, wenn ein Produktmanager die Firma verlässt, weil dann ein guter Kontakt wegbricht. Oder man hat das Glück, dass man mit ihm die Firma wechseln kann und sozusagen mitgenommen wird. Aber entscheidend ist eigentlich, dass man die DNA einer Firma kennenlernt und dadurch einfach viel zielgerichteter und erfolgreicher für sie arbeiten kann. Wenn man dann eine eigene Idee einbringt, weiß man ungefähr schon, ob sie eine Chance hat oder nicht. Und man weiß, wie man ein Projekt am besten angeht. Zu welchen Zeitpunkten man am besten bei einer Firma vorstellig wird, also zum Beispiel kurz vor Messen, weil sie die Idee bei den Messen dann überprüfen können. Das sind einfach Erfahrungswerte, die man über die Jahre sammelt.

Also kommt es im Wesentlichen darauf an, ein Gefühl für die Auftraggeber zu entwickeln?

Genau, wie die so ticken und was sie vorhaben. Außerdem ist es natürlich auch wichtig, dass man die Branche im Blick hat, also weiß, was der Branche gefällt. Man sollte seine Mitbewerber kennen und wissen, wer was gerade wie macht, und dann kann man sich den Trends ein bisschen anpassen oder eben auch neue Lösungsansätze finden.

Ein spannender Einblick in die Welt des Produktdesigns! Wir danken Peter Kirchhoff für das Gespräch.

(Fotos: Alex Duk)

Jakob Töbelmann

Langjähriger Münsteraner friesischen Geblüts. Auszubildender zum Mediengestalter Bild & Ton im Bürgerhaus Bennohaus.

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