OSTVIERTEL.MS

Mode fürs Kochen

Im Laufe der letzten Jahre ist Kochen immer beliebter geworden. Inzwischen muss man nicht singen oder schauspielen können, um berühmt zu sein. Es genügt zu wissen, wie man gut kocht und sich selbst zu präsentieren hat.

Kochshows gibt es im Fernsehen, seit es existiert. Ihr ursprünglicher Zweck war es, dem Publikum beizubringen, leckere und ausgefallene Gerichte zuzubereiten. Damals waren sie notwendig, da das Wissen der Menschen größtenteils darauf beruhte, was sie von ihren Müttern und Großmüttern oder aus Büchern gelernt hatten. Es gab kein Internet, wo Rezepte einfach nachgeschlagen werden konnten. Flugtickets, um zu reisen und sich in der Ferne von anderen Kochstilen inspirieren zu lassen, waren zu teuer. Einfache Fernsehsendungen, in denen die Moderator*innen “einfach” nur kochten, waren also essentiell. Im Laufe der Entwicklung des Internets und auch des Fernsehens selbst änderten sich jedoch auch die Kochsendungen.

“Kochsendungen haben uns gelehrt, uns verändert und sich mit uns geändert. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts haben sie sich in die Richtung entwickelt, unserem Verlangen nach hochwertiger, preiswerter, ökologischer, gesundheitsbewusster, einfach zuzubereitender und doch anspruchsvoller Ernährung nachzukommen.”
(http://content.time.com/time/arts/article/0,8599,1898153,00.html; Übersetzung J.T.)

 

Lesen, Zusehen, Versuchen, Reisen — Essen. Es gibt zahlreiche Wege, sich inspirieren zu lassen oder neue, interessante Rezepte zu erlernen. Man braucht noch nicht einmal mehr ein Kochbuch, das Internet ist schneller – oder sogar einfacher, wenn man bedenkt, dass viele Rezepte ein Anleitungsvideo enthalten. Vielleicht genügt es deshalb nicht mehr, eine einfache Kochsendung zu produzieren. Das digitale Publikum braucht mehr! Es will unterhalten werden. Studiopublikum, QR-Codes mit Rezepten, verrückte Moderator*innen, Live-Bands und vieles mehr sind Schlüssel zum Erfolg von Kochsendungen geworden. Es müssen noch nicht einmal mehr Prominente eingeladen werden, die Köch*innen sind selbst die Stars. Sie in der Sendung zu haben macht bereits die Hälfte des Erfolgs aus. Gordon Ramsay, Jamie Oliver und Nigella Lawson aus Großbritannien, Tim Mälzer und Frank Rosin aus Deutschland oder Magdalena Gessler aus Polen – das sind nur einige der Koch-Promis. Es gibt noch mehr Köch*innen, die nicht nur wegen ihres Talents in der Küche berühmt geworden sind, sondern auch aufgrund ihres Charismas und vor allem ihrer Art, die Rezepte auf dem Bildschirm zu präsentieren (oder besser gesagt: ihr Talent zu verkaufen).

Gute Köch*innen oder Moderator*innen sind aber nicht alles. Es bedarf zusätzlich eines interessanten oder einzigartigen Konzepts hinter der Sendung. Heutzutage ist die Vielfalt von Kochsendungen enorm. Oft wird Kochen hier zur Herausforderung. Nicht nur Lai*innen versuchen den Titel des Meisterkochs zu erringen (MasterChef), sondern auch Restaurants  (Mein Lokal dein Lokal) oder Hotels (Hotel Hell). Und auch professionelle Köch*innen werden auf die Probe gestellt (Kitchen Impossible). Egal ob professionell oder nicht, wer kocht, muss sehr talentiert sein und beim Kochen unter Zeitdruck starke Nerven beweisen. Es zählt nicht nur, wie das gesamte Gericht schmeckt, sondern auch der Geschmack jedes einzelnen Bestandteils, jedes einzelnen Löffelchens: In der Sendung The Taste bewerten die Juroren nur einen einzigen Löffel vom Gericht, ohne das ganze Gericht probieren zu dürfen.

Unabhängig davon, ob das Format das Kochen selbst, die Rezepte oder den Koch-Promi in den Mittelpunkt stellt: Egal welches dieser Konzepte es hat, es muss einzigartig und interessant sein. Es muss gleichzeitig unterhaltsam und lehrreich sein. Die Fernsehsender konkurrieren nicht nur miteinander, sondern auch mit dem Internet und mit uns. Weil es eben nicht ausreicht, nur zu kochen. Und dabei ist es unwichtig, wie kompliziert die Rezepte, wie unzugänglich die Produkte oder gar wie exzentrisch die Köch*innen oder Moderator*innen sind: Es wird Mode fürs Kochen geben. Wie schon Kathleen Collins in ihrem Buch Watching What We Eat: The Evolution of Television Cooking Shows sagt:

“Diese Sendungen bleiben bestehen, weil wir alle essen, etwas über Nahrung wissen und einen Bezug dazu haben.”
(http://content.time.com/time/arts/article/0,8599,1898153,00.html; Übersetzung J.T.)

 

(Quelle: https://www.flowjournal.org/2008/05/tv-cooking-shows-the-evolution-of-a-genre)
Text: Daria Jaranowska
Übersetzung aus dem Englischen: Jakob Töbelmann

Daria Jaranowska

Journalistin, Projektkoordination und Koordination Bürgermedien im Bennohaus.

Kommentar hinzufügen