Seit zwölf Jahren gibt es die Gruppe: Die Antifaschistische Linke Münster. Für eine antifaschistische Gruppe ist das ein langer Zeitraum, denn viele lose politische Zusammenhänge formieren und benennen sich oft um.
Es gibt nicht „Die Antifa“
Antifaschismus ist ihr Thema. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, denn dieser Staat hat sich als antifaschistischer Gegenentwurf zum historischen Faschismus konstituiert. Aber das Kürzel „Antifa“ triggert doch viele Menschen, weil damit meist die „autonome Antifa“ assoziiert wird, die in den 1980er Jahren auch gewalttätig gegen faschistische Aufzüge und Strukturen vorgegangen ist.
Den Aktionskonsens des gewaltfreien „Zivile Ungehorsams“ gab es schon länger. Mit Protesten des Bündnisses „Dresden-Nazifrei“ im Februar 2011 in Dresden gegen damals „Europas größten Naziaufmarsch“ wurde er bundesweit bekannt. Damals wurde der Naziaufmarsch im Übrigen erfolgreich blockiert!
Heute hat sich ein anderer Aktionskonsens bei Protesten gegen faschistische Aufmärsche entwickelt: Rahmen ist der „Zivile Ungehorsam“, das heißt es wird gewaltfrei gegen AfD und andere faschistische Organisationen demonstriert. Es wird maximal mit Sitzblockaden und Wegtragenlassen durch die Polizei gegen faschistische Aufmärsche vorgegangen. Auch in Münster zum Beispiel galt dieser Aktionskonsens, als das Bündnis „Keinen Meter den Nazis“, an dem auch die „Antifaschistische Linke Münster“ beteiligt ist, 2012 zu Aktionen gegen einen Naziaufmarsch aufgerufen hatte.
Sitzblockaden
Sitzblockaden sind im Übrigen erlaubt, um „Aufmerksamkeit zu erregen und auf diese Weise einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten“, so das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil aus dem Jahr 2011. Nur dürfen sie nicht dauerhaft das Anliegen des Gegners (Verhinderungsblockaden) beeinträchtigen.
Und, was man wohl auch noch über „die Antifa“ sagen muss: Es gibt sie nicht. Antifaschistische Gruppen haben keine festen überregionalen Strukturen. Jede Gruppe hat ihren eigenen Aktionskonsens. Nichtsdestotrotz gibt es auch bundesweite antifaschistische Strukturen, wie die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist*innen (VVN-BdA), die es auch in Münster gibt. Sie wurde von Überlebenden des NS-Terrors gegründet, ist aber heute für alle antifaschistischen Menschen offen.
Wie alles begann: Der 8. Mai als konstituierend für die antifaschistische Bewegung
Die Antifaschistische Linke Münster wurde 2008 gegründet. In der ersten Ausgabe der „antifa print“ aus dem Juni 2008 (diese Flugschrift veröffentliche die ALM von 2008 bis 2013), schrieb die ALM:
Unser Anspruch ist es, in Münster wahrnehmbare antifaschistische Politik zu verankern“.
Und in der in der selben Ausgabe veröffentlichten Rede der ALM zum Tag der Befreiung am 8. Mai 2008, auf dem die Holocaust-Überlebende Celine van der Hoek sprach, konkretisierte die Gruppe ihr Selbstverständnis und bezieht sich dabei ausdrücklich auf den 8. Mai als Tag der Befreiung:
Für die ALM ist der 8. Mai konstituierend für die heutige antifaschistische Arbeit und somit der „Tag der Antifa-Bewegung“, denn „am 8. Mai 1945 wurde mit dem militärischen Sieg der Alliierten über Nazideutschland dem deutschen Größenwahn vom Herrenmenschentum ein Ende bereitet. Der Traum vom Tausendjährigen Reich und vom ‚Sieg über Bolschewismus und Judentum‘ endete mit der roten Fahne auf dem Reichstag“. Deshalb sei der Tag ein „Tag der Freude“.
Aber ebenso sei er ein Tag des Gedenkens, da „dabei nicht vergessen werden [darf], dass diese Befreiung für alle jene Menschen zu spät kam, die von den Nazis ermordet wurden“. Denn:
Wozu die Vernichtungsideologie des NS in der Praxis führt, bekamen hunderttausende Kommunisten, Sozialdemokraten und andere den Nazis feindlich gegenüberstehende Personengruppen direkt nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten zu spüren, als ihre Organisationen zerschlagen und ihre Anhänger*innen in die schon bald errichteten Konzentrationslager gesperrt wurden.“
Und die ALM erinnert daran, dass dem „deutschen Wahn“ über 40 Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind. Es müsse deshalb immer wieder der
über 20 Millionen ermordeten SowjetbürgerInnen, [der] sechs Millionen vergasten und erschossenen Jüdinnen und Juden, [der] vernichteten Sinti und Roma, [der] im Zuge der Euthanasie Ermordeten, [der] sog. Asozialen, [der] Homosexuellen, [der] WiderstandskämpferInnen und ZwangsarbeiterInnen, sowie [der] vielen Millionen weiteren Opfer im deutsch besetzten Europa“
gedacht werden.
Aus dieser Mahnung ziehen sie ihren Auftrag für ihre antifaschistische Arbeit: Denn
mit dem Untergang Nazideutschlands war das Bedürfnis nach einer Volksgemeinschaft nicht passe.“
Diese Volksgemeinschaft manifestiere sich immer noch in Untersuchungen,
die in erschreckender Weise verdeutlichen, wie manifest Rassismus und Antisemitismus in der Bevölkerung verankert sind. Diese Elemente waren und sind mehr oder weniger prägende Merkmale eines über völkische Kriterien definierten [Menschenbildes]. In dieser Ideologie gelten jene als ‚deutsch‘, die ‚deutsches Blut‘ haben, während ein Mensch mit ‚ausländischem Blut‘, wenn er auch hier geboren ist, immer als ‚Ausländer‘ gilt. Auch ohne real existierende Volksgemeinschaft fühlen sich viel zu viele Deutsche durch ‚Ausländer‘, ‚Sozialhilfeempfänger‘, ‚Schwarzarbeiter‘ oder ‚Sozialbetrüger‘ bedroht.“
So stehe ihr „konsequenter Antifaschismus“ in der Tradition von zahlreichen Überlebenden des NS-Regimes:
Im Kampf gegen den erstarkenden Neonazismus sehen wir es als unbedingte Notwendigkeit an, den geistigen Erben der Mörder von damals einen möglichst breiten und entschlossenen Widerstand entgegensetzen. Um Nazis zu bekämpfen, ist eine breite gesellschaftliche Front erforderlich. Das hat die Geschichte uns gelehrt und dies wird von zahlreichen Überlebenden immer wieder betont und eingefordert. Und dies sollte, bei allen großen und kleinen Differenzen, für uns auch Gültigkeit haben!
Die ALM war mit der Niederländerin und Auschwitz-Überlebenden Celine van de Hoek-de Vries (1920-2011) befreundet. Sie war Vorsitzende der dortigen „Antifascistische oud-Verzetsstrijders Nederland / Bond van Antifascisten“. Und sie war auch Gastrednerin beim Tag der Befreiung am 8. Mai 2008 von ALM, VVN-BdA Münster und weiteren antifaschistischen Gruppen.
Und sie sagt in einem Video der Jugendgeschichtswerkstatt Münster:
…und das ist wichtig für mich: Dass junge Menschen in der Gegenwart eine Wiederholung der Geschichte verhindern. Sie wissen, was in der Vergangenheit passiert ist und können nicht mehr sagen ‚Wir haben es nicht gewusst‘! Das will ich sagen. Mehr nicht!“
Recherche, Vorträge und Busfahrten
Angefangen hat die „ALM“ schon ab September 2007 (vor ihrer Gründung) mit einer Vortragsreihe „searchlight“, die die rechte Szene in all seinen Ausprägungen im Visier hatte. Die Veranstaltungsreihe fand mit fast monatlich Vorträgen bis November 2012 statt. Es wurden dabei viele Facetten des Neofaschismus beleuchtet. Es gab aber auch zum Beispiel Vorträge zur Geschichte des Kapp-Putsches oder ein Zeitzeugen*innengespräch mit Bert Woudstra aus Enschede.
Seitdem werden in unregelmäßigen Abständen Vorträge angeboten oder Vortragsreihen mit dem „Keinen Meter“-Bündnis organisiert.
Im April 2010 sollten in einem Club in Münster zwei rechtsoffene Blackmetal-Bands auftreten. Doch „der Club sagte das Konzert aber wieder ab, als klar wurde, dass beide Bands keine Berührungsängste zur extremen Rechten haben“, so die ALM damals auf ihrer Website und veröffentlichte dort die Rechercheergebnisse, damit „die Bands nicht an einem Ausweichort auftreten können“.
Im Jahr 2011 gab es die erste Broschüre „Das Netzwerk radikaler Abtreibungsgegner_innen im Münsterland“ über den sogenannten „1000-Kreuze-Marsch“ von christlich-fundamentalistischen Lebensschützer*innen. Damals demonstrierte nur ein kleines Bündnis gegen diesen Marsch. Heute gibt es ein größeres Bündnis, das wird in unserer Reihe „Unter dem Pflaster liegt der Strand“ schon vorgestellt haben: „Eintreten für ein selbstbestimmtes (Liebes-)Leben“.
Fahrten zu Protesten in anderen Städten waren und sind Bestandteil der Arbeit der ALM. So wurde schon 2008 eine Fahrt gegen den „Anti-Islamisierungskongress“ von „pro Köln“ organisiert. Damals verhinderten 20.000 Demonstrant*innen den Kongress. Oder 2011 ging es nach Dresden (s.o.), um gegen den dortigen Naziaufmarsch zu demonstrieren.
Die meisten Fahrten führen aber per Bahn zu Protesten gegen Naziaufmärschen in den Nazihochburgen Dortmund oder Hamm, um den dortigen Protest zu unterstützen.
„Nazi-Aufmarsch verhindern“
Aber natürlich auch in Münster wird gegen Nazi-Umtriebe protestiert. Im Juni 2010 hatte die ALM schon in der „antifa print“ Juni 2010 über die sogenannten „Nationalen Sozialisten“ aufgeklärt:
„Bereits im November 2009 tauchten erste Aufkleber der Nationalen Sozialisten Münster auf, im Comicstil gehalten erinnerten sie an den Style der „Autonomen NationalistInnen“, einer Weiterentwicklung der „Freien Kameradschaften“, die von einem militanten Habitus sowie Entwendungen von popkulturellen Symboliken und Styles des politischen Gegners geprägt ist. […] Die Nationalen Sozialisten Münster (nasoms), zu denen ungefähr 8 bis 10 Personen zu zählen sind, orientieren sich stark an den „älteren“ Neonazi-Gruppen in Ahlen, Hamm und Dortmund und sind in deren Vernetzungs- und Mobilisierungsstrukturen eingebunden. […] Die neugegründeten Neonazi-Strukturen in Münster sind noch schwach. Ihnen gelingt es nicht, wahrnehmbar aufzutreten und die Stadt zu dominieren.“
Siehe auch: In der Stadt kaum wahrnehmbar: Zu den Aktivitäten der „Nationalen Sozialisten Münster“.
Nichtsdestotrotz wollten die „Nasoms“ im Jahr 2012 ihre (Nicht)-Präsens in Münster unter Beweis stellen: Sie kündigten eine Nazi-Aufmarsch für den 3. März 2012 im Rumphorstviertel an. Zuletzt fanden 2006 Naziaufmärsche von externen Kameradschaften in Münster statt. Der Aufmarsch im Hansaviertel wurde direkt nach 300 Metern auf der Bremer Straße blockiert (siehe auch: Tschöö, Axel! im „Straßenmagazin draußen!“ 03/2006). Im Mai in Hiltrup mussten die Nazis ihre Route enorm verkürzen – so richtig rein nach Hiltrup kamen sie nicht.
Aber wieder zurück zum Naziaufmarsch im Jahr 2012: Damals wurde von vielen Gruppen das Bündnis „Keinen Meter den Nazis“, das es immer noch gibt, gegründet, um den Protest dagegen auf breite Beine zu stellen. Die ALM beteiligte sich an der Gründung. „Über 130 Initiativen, Vereine, Gewerkschaften, Parteiorganisationen und Kulturschaffende“ unterstützten den Aufruf des Bündnisses in dem es hieß:
Am 3. März wollen Nazis durch Münsters Straßen marschieren und ihre menschenverachtende Ideologie propagieren. Bereits 2006 verhinderten Blockaden von Anwohner_innen und antifaschistischen Initiativen einen Versuch von Nazis durch das Hansaviertel zu ziehen. Nach wenigen Metern hatte es sich ausmarschiert. Die Straße war von vielen hundert Menschen besetzt, gemeinsam wurde so der Naziaufmarsch verhindert.
Seit Kurzem versucht sich in Münster eine kleine Gruppe von „Nationalen Sozialisten“ zu etablieren, bislang ohne nennenswerten Erfolg. Auch für den geplanten Aufmarsch im März werden sie wieder auf Unterstützung von außerhalb angewiesen sein. Bei dieser Gelegenheit gilt es an den antifaschistischen Erfolg von 2006 anzuknüpfen und den Nazis zu zeigen, dass es auch zukünftig eine verdammt schlechte Idee ist, zu versuchen, Nazi-Propaganda in Münster zu verbreiten, denn Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!“
Eine Aktivierungskonferenz im Paul-Gerhardt-Haus mobilisierte über 100 Menschen. Dort gab es einen Vortrag über die „nationalen Sozialisten“, über erfolgreiche Blockaden in Köln und ein „Probesitzen“.
Der Protest am 3. März 2012 im Rumphorstviertel war mit circa 7.000 Beteiligten zwar groß, vielfältig und entschlossen. Trotzdem konnte der Protest die 300 Neonazis nicht aufhalten. Die Polizei hatte das Rumphorstviertel hermetisch abgeriegelt.
Bilder: Protest gegen die Freie Kameradschaftsszene im Rumphorst-Viertel
Trotzdem zog die ALM ein positives Fazit:
Eine deutliche Ansage
So widerwärtig die Parolen der Nazis waren, sie wurden von dem Protest der insgesamt über 7000 Menschen meist übertönt. An den Sperren der Polizei sammelten sich Tausende Menschen, die die Nazis mit Pfiffen und Sprechchören bedachten, vereinzelt folgen auch Eier und Essensreste. Besonders die Anwohner_innen protestierten trotz bedrohlich und ruppig auftretender Polizei mit großem Einsatz.“
Damals berichteten die „tageszeitung“ und der Autor dieses Beitrags für die VVN-BdA Münster:
Neonazi-Aufmarsch in Münster: Knüppelnde Polizisten
In Münster schlagen Polizisten einen Gegendemonstranten krankenhausreif, der gegen eine rechtsextreme Kundgebung auf die Straße gegangen war.
https://taz.de/!5099198/
Kommentar Neonazi-Aufmarsch Münster: Das Versagen der Polizei
Der Auftritt der Polizei beim Neonazi-Aufmarsch war verstörend: Mit Knüppeln und Pfefferspray wurde auf Demonstranten losgegangen. Die Braunen wurden geschützt. Inakzeptabel.
https://taz.de/Kommentar-Neonazi-Aufmarsch-Muenster/!5099243/
Bericht aus der Sperrzone
Mit vielfältigem Protest hat Münster den sog. „Nationalen Sozialisten Münster“ und Konsorten im Stadtviertel Rumphorst die rote Karte gezeigt.
https://muenster.vvn-bda.de/2012/03/04/bericht-aus-der-sperrzone/
Die ALM beteiligte sich an der Antirepressionsarbeit des „Keinen-Meter“-Bündnisses. Über die Verfahren gegen Antifaschist*innen, die am Protest beteiligt waren, berichtet das Bündnis ebenso wie über daraus folgende Prozesse gegen Polizeibeamt*innen:
Prozesse gegen Antifaschisten enden mit Freisprüchen
2 Prozesse = 2 Freisprüche und neue Ermittlungsverfahren gegen die Polizei. Das ist die eindeutige Bilanz zweier Gerichtsprozesse gegen antifaschistische Protestler
https://keinenmeter.noblogs.org/post/2013/01/18/pm-15-prozesse-gegen-antifaschisten-enden-mit-freispruchen/
Brutaler Polizeieinsatz am 3. März bleibt ohne Folgen
Staatsanwaltschaft Münster stellt Ermittlungsverfahren gegen prügelnde Polizisten ein
https://keinenmeter.noblogs.org/post/2012/11/26/pm-14-brutaler-polizeieinsatz-am-3-marz-bleibt-ohne-folgen-staatsanwaltschaft-munster-stellt-ermittlungsverfahren-gegen-prugelnde-polizisten-ein/
Vor dem Naziaufmarsch machte die ALM die Machenschaften des Anführers der „Nationalen Sozialisten“ öffentlich:
Die Neonazis aus Münster nutzen vermutlich schon Daten, an die Kemper durch seine berufliche Tätigkeit für die Post gelangen konnte. So wurden Ende Januar Drohbriefe an vermeintliche Antifaschist_innen und linke Zentren in Münster verschickt, verkündete ein ‚Aktionsbericht‘ auf der Neonaziseite. Jüngst veröffentlichten sie auch eine Anschrift des Grünen Ratsherrn Carsten Peters auf ihrer Seite und drohten den Sprechern von Linksjugend und Jusos. Sie würden niemanden ‚mit Samthandschuhen‘ anzufassen, schrieben die Neonazis im Internet. Und weiter hieß es großspurig: ‚Wir lassen uns doch nicht von irgendwelchen dahergelaufenen Minusmenschen einfach angreifen. Am 3. März marschiert in Münster der Nationale Widerstand – und kein Kirchenchor!‘”
Rohrkrepierer „Müngida“
Ende 2015 kündigte sich eine neue rassistische und islamfeindliche „Massenbewegung“ für Münster an. Entsprechend der Pegida-Bewegung in Dresden wollten auch in Münster unter dem Label „Müngida – Münster gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Aber ein Münsteraner Theologie-Student Stephan Orth organisierte unter dem Motto „Münster gegen Pegida“ zwei große Gegenkundgebungen mit bis zu 10.000 Teilnehmer*innen, die selbsternannten Abendland-Retter*innen marschierten erst gar nicht auf.
Zu der zweiten „Münster gegen Pegida“-Kundgebung gab es vom „Keinen-Meter“-Bündnis eine Zubringer-Demo vom Bremer Platz aus mit eigenen Redebeiträgen. Die ALM hielt dort auch einen eigenen Redebeitrag.
Bilder: Gegen Müngida am 30. Januar 2015
Damals mischte sich die ALM aber auch in die Strategiedebatte ein: Stephan Orth hatte zunächst alle im Rat vertretenen Parteien, also auch die AfD, eingeladen, auf der „Münster gegen Pegida“-Großkundgebung zu sprechen. Er sah dies als demokratische Pflicht an. Die AfD sagt natürlich einen Redebeitrag ab. Was soll sie auch gegen ihren eigenen Verbündeten protestieren? Die Entscheidung wurde von vielen Seiten abgelehnt. Und auch die ALM lehnte dieses Vorgehen vehement ab:
Dass die AfD in Münster bei der Kommunalwahl 2,6 % erreichte, macht aus Hetzer*innen und geistigen Brandstifter*innen noch lange keine Partei, mit der man gemeinsame Sache machen sollte. In vielen Städten ist auch die NPD „demokratisch legitimiert“, in Dortmund gar „Die Rechte“, trotzdem bestehen diese Parteien aus bekennenden Nationalsozialisten. Letztere verhöhnte vor ein paar Wochen noch Anne Frank und die Opfer des NSU.
Nun sind die Mitglieder der AfD (von einigen Ausnahmen abgesehen) keine Neonazis, aber die AfD versucht sich wie keine andere Partei als „Fürsprecherin“ und „parlamentarischer Arm“ der PEGIDA-Bewegung anzubieten. Sei es durch die Einladung der PEGIDA-Organisatoren in den sächsischen Landtag, durch die Teilnahme ihres Bundessprechers Alexander Gauland an einem Aufmarsch oder durch die publizistische Beiträge ihres Bundessprechers Konrad Adam.
Ausgerechnet die AfD für einen Redebeitrag auf einer Anti-PEGIDA-Demo einzuladen, heißt den Bock zum Gärtner zu machen.“
Gegen die AfD
Schon früh demonstrierten Menschen aus der ALM und andere Antifaschist*innen gegen die AfD. Bei den Kommunalwahlen 2014 wurde gegen Wahlkampfstände der AfD protestiert. Bei einem der ersten Protesten wurden Vertreter*innen der AfD auch handgreiflich. Die ALM kritisierte damals:
Die ‚Alternative für Deutschland‘ (AfD) ließ am Samstag ihren Infostand in der Münsteraner Fußgängerzone durch eine Schlägertruppe bewachen. Antifaschist_innen verteilten in den Mittagsstunden Flugblätter, die den Nationalismus der Partei kritisierten, und kommentierten den Wahlkampf durch ein Transparent mit der Aufschrift ‚Rassismus ist keine Alternative‘. Obwohl sich die Antifaschist_innen in deutlicher Entfernung von zirka 20 Metern zum Infostand der AfD aufgebaut hatten und der Wahlkampf zu keinem Zeitpunkt beeinträchtigt wurde, bedrohte die zuerst sechsköpfige Schlägertruppe die Protestierenden. ‚Ihr verpisst euch jetzt hier, sonst haue ich dir in die Fresse!‘, war eine beispielhafte Drohung. Mehrfach versuchten die aggressiv auftretenden Männer ihre Worte durch direkten Körperkontakt, Rempeleien und Wegdrängen zu unterstreichen. Richard Mol, stellvertretender Sprecher des AfD-Kreisverbandes Münster, wich den als ‚Sicherheits- und Ordnerdienst‘ der AfD auftretenden Personen nicht von der Seite, sondern rechtfertige deren Anwesenheit. Nach einiger Zeit tauchten sogar zudem zwei bekannte Neonazis aus Münster auf.“
Auch der Autor dieses Artikels wurde damals als Journalist bedroht.
Die Positionen der neuen Partei sind geprägt von Nationalismus, autoritären Politik- und Gesellschaftsvorstellungen, rückwärtsgewandten Geschlechterbildern und Familienvorstellungen verknüpft mit homophoben Positionen sowie insgesamt von einer Logik, die Menschen ausschließlich nach ihrer wirtschaftlichen Verwertbarkeit einteilt. Aufgrund dieser Inhalte und ihrer offensiven Positionierung rechts von der Union übt die AfD eine große Attraktivität auf unterschiedliche Rechtsradikale aus.“
…und machte die schon damals vorhandenen Verstrickungen der AfD ins rechtsradikale Milieu öffentlich:
Die AfD ist nicht die seriöse ‚Anti-Euro-Partei‘ der ‚Professoren‘, als die sie wahrgenommen werden will. Tatsächlich verfügt die ‚Alternative‘ über einen einflussreichen ultrakonservativen und rechtsradikalen Flügel. […] Auch in Münster kandidieren bei der Kommunalwahl zwei Personen, die über enge Verbindungen nach Rechtsaußen verfügen.“
Seit 2016 wurde dann gemeinsam mit dem „Keinen-Meter“-Bündnis gegen Veranstaltungen der AfD protestiert:
Und auch vor dem Kommunalwahlkamp 2020 machte die ALM auf eigene rechtsextreme Narrative der AfD und deren Verstrickungen nach ganz Rechtsaußen öffentlich:
Im März 2019 machte die ALM öffentlich, dass Münsters AfD-Chef Martin Schiller in einem Facebook-Post „auf unerträgliche Weise gegen die Jugendbewegung ‚Fridays for Future‘ und deren Aktivistin Greta Thunberg gehetzt“ habe. In einem abgewandelten NSDAP-Propagandaplakat des „Bundes Deutscher Mädel“ wurde Greta Thunberg rein retuschiert und darüber der abgewandelte NS-Spruch „Jugend dient dem Klima“ gesetzt. Schiller habe damit den „Nationalsozialismus verharmlost“, so die ALM. Die ALM dazu:
Diese Hetze gegen eine junge Aktivistin verrate viel über das Demokratieverständnis der AfD, der direkte Demokratie und „Bewegungspolitik“ nur dann als opportun gelten, wenn sie den eigenen Interessen dienen. Die AfD ist die Partei der Klimawandel-Leugner, deshalb denunziert sie eine junge Frau, die nichts weiter tut, als auf unsere gesellschaftliche Verantwortung für ein globales Problem hinzuweisen. Greta Thunberg mag die Erste gewesen sein, die an einem Freitag ihre Schule bestreikt hat, aber ‚Fridays for Future‘ besteht aus unzähligen jungen Menschen, die laut sagen, was Regierende und Mächtige nicht hören wollen.“
Nur zwei Monate später im Mai 2019 relativierte ein weiteres Mitglied der AfD Münster den Nationalsozialismus. Die ALM berichtete:
Jahn [Vorstandsmitglied des AfD-Kreisverbandes Münster] schrieb am 29. Mai 2019, dass seine Partei, wie alle anderen Parteien auch, in den nächsten Tagen ihre Plakate aus dem Europawahlkampf einsammeln müsse. Er beklagte sich über beschädigte Wahlplakate und setzte diese mit den von den Nazis in der Reichspogromnacht niedergebrannten Synagogen gleich. Sodann fragte er, ob die AfD für beschädigte Plakate zur Kasse gebeten werden, so wie die jüdischen Gemeinden von den Nazis zwangsweise die Abrisskosten für die zerstörten Synagogen übernehmen mussten.“
Darum analysierte die ALM:
„Das ist ein unsäglicher Vergleich. Wieder einmal relativiert die AfD so die Verbrechen des Nationalsozialismus und die Shoah. Dieser Vorfall reiht sich ein in eine ganze Reihe von revisionistischen und antisemitischen Angriffen durch den Kreisverband Münster – niemand kann da noch von Einzelfällen oder gar Missverständnissen sprechen.”
Denn auch schon 2018 hatte der AfD-Ratsherr Martin Schiller den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Münster Sharon Fehr antisemitisch beleidigt:
Es wäre wahrscheinlich auch zu viel verlangt von Ihnen zu erwarten, dass Sie die große Sorge um unser deutsches Vaterland mit uns teilen! … Schauen Sie ruhig weiter weg, aber wahrscheinlich genießen Sie den schleichenden Verfall eines Landes welches Sie verachten!“
Martin Schiller nutzte also in seinem Beitrag gegen Sharon Fehr schon damals das antisemitische NS-Bild des „das Vaterland nicht liebenden Juden“, dass schon nach dem Ersten Weltkrieg entstanden war, wo den Juden und Jüdinnen Vaterlandsverrat und die Schuld an der Niederlage untergeschoben wurde.
Sharon Fehr, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Münster antwortete damals in einem Offenen Brief:
Damit sehen alle (auch Rechtsexperten), die sich hier in die Auseinandersetzung mit einklinkten, dass mit Wissen um meine Funktion in Münster als ehrenamtlicher geschäftsführender 1. Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Münster (seit mehr als 25 Jahre) gleichsam auch die jüdischen Bürgerinnen und Bürger mit angesprochen sind, welche ich in Münster einerseits und als Mitglied des Vorstande des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden Westfalen-Lippe (10 Jahre) öffentlich (rechts-) wirksam vertrete.“
Und die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Münster (CJZ) verurteilte die AfD-Attacke auf Sharon Fehr als
verabscheuungswürdige rassistische Polemik gegenüber jeglichen ethnischen Gruppen in unserem Gemeinwesen“.
Im September 2019 sah die ALM dann die bürgerliche Fassade endgültig bröckeln, nachdem eine Einladung des inzwischen aus der AfD ausgeschlossenen Andreas Kalbitz bekannt wurde:
Offenes Bekenntnis zum extrem rechten ‘Flügel’
[…] Dass die AfD Münster diesen in der Wolle gefärbten Neofaschisten nun eingeladen hat, sagt viel über die Entwicklung des Kreisverbandes aus. […] Martin Schiller und die AfD Münster passen sich nun also den veränderten Machtverhältnissen an. Ob dies aus opportunistischen oder inhaltlichen Gründen geschieht, ist insofern irrelevant, als dass so die weitere Radikalisierung der AfD unterstützt wird. […] Darüber hinaus beobachten wir seit Längerem eine Radikalisierung des sich nach außen gerne gemäßigt-bürgerlich Kreisverbandes Münster: Die Spanne reicht dabei von antisemitischen Anfeindungen über den Nationalsozialismus relativierende Äußerungen bis hin zu körperlichen Übergriffen auf politische Gegner*innen.“
Im Wahlkampfendspurt legte die ALM dann weitere Verstrickungen in die neonazistische Szene offen: So kandidierte Karl-Heinz Kramer für die AfD auf Listenplatz 5. Ein pensionierter Lehrer. Die ALM berichtete im Juni 2020:
Auf den ersten Blick mag Karl-Heinz Kramer dem von der AfD Münster gewünschten Bild entsprechen: Bürgerlich, mit einem gewissen Wohlstand und Status und allgemein eher bieder und unauffällig. Doch der Eindruck täuscht. […] Kramer hat auf seinem Facebook-Profil wiederholt Propaganda-Bilder und Inhalte offen neonazistischer Parteien und Organisationen, u.a. von ‚Der III. Weg‘ und der ‚Identitären Bewegung‘ hochgeladen und geteilt, wie Recherchen der ALM belegen. Hinzu kommt eine Karikatur, welche die Frage stellt, ob man Bundeskanzlerin Merkel lieber ‚aufhängen oder an die Wand stellen‘ sollte.“
Die Kandidatur von Kramer wurde zwar auf Druck des Bezirksverbandes dann zurückgezogen. Aber echte Einsicht gab es bei der AfD nicht. Martin Schiller verharmloste die faschistischen Facebook-Posts des Kandidaten als „Geschmackssache“.
Und im September legt die ALM erneute Verstrickungen in rechte Netzwerke offen:
Neonazi als ‚Sicherheitsmann‘ an ihrem Wahlkampfstand einsetzte, als auch, dass der wegen Verbreitung neonazistischer Inhalte von der Kandidatenliste gestrichene Karl-Heinz Kramer im Kommunalwahlkampf weiterhin für die AfD aktiv ist. Aktivitäten in sozialen Netzwerken belegen zudem die Verbindung des Spitzenkandidaten Martin Schiller zu Personen, die offen mit der Reichsbürgerszene sympathisieren.“
Und die ALM veröffentlicht anschließend eine Liste der Verstrickungen der AfD nach ganz Rechtsaußen der letzten 18 Monate. Ihr Fazit zur AfD Münster:
Zur Strategie des AfD-Kreisverbandes Münster gehört es, sich selbst konsequent als „bürgerlich“ zu bezeichnen. Mit diesem Label will die Partei vermeiden, als das benannt zu werden, was sie ist: Eine extrem rechte Partei. Was angesichts der zahlreichen offen agierenden Faschist*innen, Antisemit*innen, und vielen mehr in der Bundes-AfD bereits als völlig abwegig erscheint, wird umso absurder, wenn man sich anguckt, mit welchen Äußerungen, Verbindungen und Taten die AfD Münster in den letzten Jahren aufgefallen ist.“
Aus diesen Gründen wurde im Kommunalwahlkampf 2020 auch wieder gegen Wahlkampfstände der AfD protestiert.
Der Rassismus der Mitte
Aber nicht nur Aufklärung über und Aktionen gegen faschistische Umtriebe umfassen die Arbeit der ALM. Sie prangert auch den Rassismus der sogenannten Mitte an.
Sie kritisiert zum Beispiel die Verbindungen der Jungen Union zum „Verein Deutscher Studenten Münster“, der die Farben des Kaiserreichs als seine Verbandsfarben trägt.
Der Dachverband VVDSt, der noch vor wenigen Jahren beschlossen hat, auch weiterhin keine Frauen aufzunehmen, ist politisch nicht einheitlich orientiert; ein Teil des Verbands verfügt jedoch über Beziehungen in ultrarechte Kreise.“
Bekannt geworden war die Verbindung, nachdem die Junge Union ein Foto einer JU-Sitzung im Verbandshaus veröffentlicht hatte. Die JU-Mitglieder hatten vor einer schwarz-weiß-roten Verbandsflagge des VdSt posiert. Viele JU-Mitglieder sind demnach auch Mitglieder im VdSt.
Oder sie machen Relativierungen von Holocaustleugnung von Universitätsprofessoren öffentlich. So hatte der inzwischen emeritierte VWL-Professor und damalige LKR-Landesvorsitzende Ulrich van Suntum die Verurteilung der damals 88-jährigen notorischen Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck mit dem Freispruch einer „Sharia-Polizei“ verglichen und damit kritisiert:
Diese Informationen ignorierend hat Ulrich van Suntum einen Twitter-Post verfasst, der als Solidarisierung mit der Angeklagten und als Relativierung der Holocaustleugnung verstanden werden kann. Rhetorisch geschickt kontrastiert er die Verurteilung Haverbecks mit einem Freispruch für fünf Salafisten, womit er eine Ungleichbehandlung der Justiz suggeriert.“
Die ALM analysierte weiter:
Diese Äußerungen des Münsteraner VWL-Professor sind erschreckend. Er nutzt ausgerechnet die Verurteilung einer notorischen Holocaustleugnerin und Antisemitin, um die realitätsfremde Behauptung zu verbreiten, Salafisten würden von der Justiz geschont und in Deutschland drohe demnächst eine ‚Scharia-Gesetzgebung‘. Das ist Hetze auf dem untersten Niveau. Zugleich begibt er sich damit in die Nähe von Neonazis, die das Urteil gegen die Holocaustleugnerin ebenfalls als Ausdruck von ‚Gesinnungsjustiz‘ und ‚Meinungsdiktatur‘ sehen. Wer den millionenfachen Massenmord der Nazis leugnet und die Opfer verunglimpft, der sollte aber nicht mit Verständnis rechnen. Dass der Landesvorsitzende der von Bernd Lucke gegründeten AfD-Abspaltung ‚Liberal-Konservative Reformer‘ solche Positionen verbreitet, überrascht, da die Lucke-Partei für sich in Anspruch nimmt ‚liberaler‘ und weniger weit rechts stehend als die AfD zu sein. Äußerungen wie die von van Suntum stellen diesen Anspruch in Frage.“
Sarrazin, der Hayek-Club und die vermeintliche Mitte der Gesellschaft
Die ALM kümmert sich aber auch um den Rassismus und die Menschenverachtung aus der sogenannten Mitte der Gesellschaft. Am 19. März 2019 protestierte die ALM mit dem Keinen-Meter-Bündnis gegen eine Veranstaltung des marktradikalen Hayek-Clubs mit Thilo Sarrazin in der Stadthalle-Hiltrup. Thilo Sarrazin, inzwischen ehemaliges SPD-Mitglied, hat inzwischen mehrere Bücher geschrieben, die stark in der Kritik stehen. Im Aufruf zu der Gegendemonstration gegen die Veranstaltung heißt es:
Sarrazin hat sich in der Vergangenheit als geistiger Brandstifter und Stichwortgeber für extrem rechte Parteien wie die AfD betätigt. Insbesondere durch seine rassistische Hetze gegen Menschen muslimischen Glaubens, gegen Erwerbslose, arme Menschen und gesellschaftliche Minderheiten.“
Weiter heißt es:
Mehrfach forderte Sarrazin, ehemaliger Berliner Finanzsenator und Bundesbank-Vorstand, drastischen Sozialabbau: Die Renten sollten auf das ‚Niveau einer Grundsicherung‘ sinken. Erwerbslose verhöhnte er durch zynische ‚Ratschläge‘ wie sie sich von weniger als 4 Euro pro Tag ernähren sollten. Sarrazin forderte Elitenförderung und das ‚Auswachsen‘ von ‚etwa 20 Prozent der Bevölkerung, die ökonomisch nicht gebraucht würden‘. Gegen diesen Rassismus der Eliten, gegen diese Menschenfeindlichkeit, Sozialdarwinismus und die Biologisierung des Sozialen setzen wir unseren Protest. Wer diesen Positionen Raum und Podium verschafft, muss auf energischen und solidarischen Widerstand treffen!“
Und das Bündnis kritisierte auch den Hayek-Club, der als eine Art Scharnierfunktion zur extremen Rechten fungiere:
Eine ebensolche Scharnierfunktion übernimmt im Münsterland der ‚Hayek-Club‘, in dessen Vorstand und Beirat Mitglieder von CDU, FDP und AfD gemeinsame Sache machen. Was sie eint ist der neoliberale Marktradikalismus des Namensgebers August von Hayek, der ein vehementer Gegner des sozialen Wohlfahrtsstaates, staatlicher Eingriffe in den Markt und des Sozialismus war. Praktisch wurde Hayeks Tätigkeit und die seiner Schüler*innen bei der Zusammenarbeit mit der Militärdiktatur in Chile 1973, als die Militärjunta die demokratische Regierung Allendes mit Gewalt beseitigte und ein Terror- und Folterregime etablierte. Die Jahre der Diktatur waren geprägt von Sozialabbau, Privatisierung und Deregulierung zulasten der lohnabhängigen und armen Menschen. Der Kreis schließt sich, denn für Hayek-Club-Beiratsmitglied Ulrich van Suntum beispielsweise sind Maßnahmen wie der Mindestlohn oder die Frauenquote bereits Ausdruck des Sozialismus.“
Auf der Kundgebung, an der 150 Menschen teilnahmen, begründete die ALM die Kundgebung:
Die Resonanz auf seine Bücher wäre auch sicherlich geringer gewesen, wenn er nicht Mitglied der SPD gewesen wäre. Diese Mitgliedschaft reichte in Teilen der Öffentlichkeit schon aus, um seinen Positionen jeglichen „radikalen“ und „rassistischen“ Charakter abzusprechen. Dass sich diese kurzsichtige und politisch naive Einschätzung bis heute hält, zeigte die WN kürzlich in einem Kommentar über unsere Proteste: Gegen die AfD zu protestieren schön und gut, aber Sarrazins Rassismus vorzuwerfen, das ginge dann doch zu weit….
Und die ALM kritisierte die Netzwerke, die eine AfD-CDU-Regierung vorbereiten wollen:
Eigentlich, so dürfte man meinen, hält die Brandmauer nach ganz Rechtsaußen noch. Doch nicht nur in Sachsen lässt sich ein Aufeinander-zu-gehen dieser Kräfte beobachten, auch der Hayek-Club ist dafür ein Beispiel. Hier werden Netzwerke und Kontakte geknüpft, die später eventuell eine blau-schwarze Koalition – und damit den direkten Zugriff der AfD auf die Regierungsmacht – erleichtern.
Bilder: Protest gegen Sarrazin in der Stadthalle Hiltrup
Brandanschläge Hiltrup: Militante Mitte?
Es geschah in der Nacht auf den 27. April 2016. Eine in Bau befindliche Flüchtlingsunterkunft in Hiltrup brannte. Es war Brandstiftung.
Die militanten Aktionen gegen Einrichtungen der Flüchtlingsheime, die seit 2015 in der ganzen Bundesrepublik aufgekommen waren, hatten Münster erreicht.
Die ALM ging früh von einem rassistischen Brandanschlag aus:
Seit Sommer 2015 verzeichnen wir einen massiven Anstieg rassistischer Gewalttaten und Anschläge gegen Flüchtlingsunterkünfte. Erstmals wurde nun in Münster eine in Bau befindliche Unterkunft angezündet. Wir verurteilen diesen Brandanschlag, für den mit großer Wahrscheinlichkeit Rassisten verantwortlich sind“
Die Gruppe sieht einen Riss in der Gesellschaft, aber nichtsdestotrotz eine weiterhin große Willkommenskultur gegenüber Flüchtlingen in Münster. Einem Abbau des deutschen und europäischen erteilt die ALM aber eine Abfuhr:
Die große Mehrheit der Menschen in Münster steht weiterhin für ein Willkommenskultur gegenüber Flüchtlingen. Aber es wird deutlich, dass durch die Gesellschaft ein Riss geht und die Zahl derer, die Flüchtlingen Schutz und Menschenrechte verwehren wollen, gewachsen ist und diese sich zunehmend aggressiver äußern. Der Anstieg rassistischer Gewalt hat seine Ursache auch in der Hetze gegen Geflüchtete und MigrantInnen durch rechte Parteien. Es ist ein Irrglaube, dass die Verstümmlung des Rechts auf Asyl und die tödliche Abschottung Europas, wie sie von der Bundesregierung in den vergangenen Monaten betrieben wurde, den RassistInnen den Wind aus den Segeln nehmen würde. Das Gegenteil ist der Fall.“
In einem Aufruf zu einer Demonstration gegen rassistische Gewalt in Hiltrup schrieb die ALM:
Der Anschlag in Hiltrup ist Teil der aktuellen rassistischen Gewaltwelle, die eine Größenordnung aufweist, wie sie seit Anfang der 1990er Jahre, als ebenfalls vielerorts Flüchtlingsheime brannten, nicht mehr zu verzeichnen war. Wir erleben zurzeit einen massiven Anstieg der rechten Gewalt. 2015 verfünffachten sich die gegen Geflüchtete gerichteten Straftaten, das BKA zählte über 1000 Delikte, darunter hunderte Brandanschläge. Auch das Münsterland bildet leider keine Ausnahme, wie die in diesem Jahr verübten Brandanschläge in Raesfeld, Bocholt, Gescher, Ascheberg oder Harsewinkel belegen. Erstmals ist jetzt auch in Münster eine Flüchtlingsunterkunft angezündet worden.
Im Redebeitrag auf der Demonstration führte die ALM aus:
Die Ermittlungen gegen rassistische Täter*innen werden oftmals ergebnislos eingestellt, nur ein kleiner Anteil der Brandstifter*innen kann identifiziert werden. Bei denjenigen, die identifiziert werden konnten, handelt es sich nach BKA-Angaben in der Mehrzahl um junge Menschen, die aus den Orten stammten, in denen die Taten begangen wurden – und nur 30 Prozent waren dem Staatsschutz zuvor als rechtsmotivierte Straftäter*innen bekannt. Das ist ein beunruhigender Befund, weil er zeigt, dass Menschen zum Brandsatz greifen, die zuvor vielleicht noch nicht besonders auffällig waren. Die Hälfte aller aufgeklärten Taten wurde von einer kleinen Gruppe begangen. All dies zeigt: Das rassistische Gewaltpotential ist gestiegen.
Und die ALM hatte recht: Später wurden Jugendliche aus der sogenannten „Mitte der Gesellschaft“ verhaftet, die diesen und einen weiteren Brandanschlag verübten. Sie stammten direkt aus „dem Ort“. Sie waren*sind Bürger*innen von Hiltrup.
Die Münstersche Zeitung berichtete damals vom Prozess:
Anschläge auf Flüchtlingsheim: Angeklagte gestehen Brandstiftung
Münster-Hiltrup – Am Freitagvormittag startete am Landgericht Münster der Prozess gegen zwei junge Männer aus Münster. Sie sollen für die Brandanschläge auf ein Hiltruper Flüchtlingsheim verantwortlich sein. Zum Auftakt zeigten sich die Angeklagten geständig.
https://www.muensterschezeitung.de/Lokales/Staedte/Muenster/2596112-Anschlaege-auf-Fluechtlingsheim-Angeklagte-gestehen-Brandstiftung
Antirassismus in Hiltrup (Fotos: Bündnis gegen Abschiebungen/ALM)
Geschichtsarbeit der ALM
Aber auch in die Diskussion um die Aufarbeitung von Geschichtsbildern in Münster mischt sich die ALM ein. Als 2012 mehrere Straßen in Münster umbenannt werden sollten, veröffentlichte die ALM einen Text zum Thema und kritisierte die „Scheinargumente“ von Rechtsaußen gegen Umbenennungen von historisch belasteten Straßen:
Gerade die [Städte und Gemeinden] tun sich damit oft aber schwer. Nicht nur, dass vor allem die AnwohnerInnen einer Straßenumbenennung kritisch gegenüberstehen und zum Teil heftig dagegen protestieren. Auch in den Stadträten und Bezirksvertretungen, die über eine Umbenennung letztlich entscheiden, kommt es mitunter zu kontroversen Diskussionen. Die Spannweite der Argumente, die gegen eine Umbenennung ins Feld geführt werden, reichen dabei von der Sorge um die Kosten für die AnliegerInnen, die ihre Visitenkarten und personenbezogenen Ausweise ändern lassen müssten, über die vermeintlich geringe historische Relevanz des bestehendes Namens bis hin zur kompletten Verweigerung gegenüber kritischen Erkenntnissen neuerer Forschungen, die den NamenspatronInnen ‚plötzlich‘ eine völkische Gesinnung oder ungeahnte Verstrickungen in nationalsozialistische Organisationen nachweisen. Eine Einordnung fällt den EntscheidungsträgerInnen umso schwerer, wenn die auf dem Straßenschild geehrte Person einerseits dem NS zugetan war, andererseits aber auch große literarische Leistungen vollbracht oder einen besonderen Beitrag zur Entwicklung der Regionalgeschichte geleistet hat. Das Votum für eine Umbenennung wird gerade wegen dieser ambivalenten Identitäten nur allzu oft zugunsten der Beibehaltung des Status quo und zum Nachteil kritisch-historischer Erinnerungskultur entschieden.
Anhand lokalpolitischer Debatten über Straßennamen lässt sich also viel über das Verständnis von Geschichts- und Erinnerungspolitik bei VertreterInnen der Stadt und den AnwohnerInnen erfahren. Oft kontern insbesondere rechtskonservative Parteien auf einen Antrag zur Umbenennung einer Straße mit NS-belasteter NamensgeberIn mit der Forderung, dann auch alle „kommunistischen“ Straßennamen umbenennen zu wollen. Auch vor extremismustheoretischem Unsinn ist man in solchen Debatten also nicht gefeit.“
Sie wiesen aber, trotz der Befürwortung von Umbenennung belasteter Straßen, auf die geschichtspolitische Bedeutung hin. So solle der alte Straßenname nicht vergessen werden, sondern es solle mit Zusatzschilder auf den alten Straßennamen und die geschichtlich-problematische Rolle des alten Namenspatrons hingewiesen werden:
Allerdings sollte bei einer erfolgversprechenden Forderung nach einer Straßenumbenennung berücksichtigt werden, dass der alte Name und der Verweis auf die damit verbundenen Geschichtsbilder einfach gestrichen werden. Einer solchen Entsorgung der Vergangenheit sollten AntifaschistInnen keinen Vorschub leisten. Wichtig bei einer angestoßenen Debatte wäre es deshalb darauf hinzuwirken, dass unter dem neuen Namensschild eine Informationstafel angebracht wird, die auf die geschichtlichen und politischen Hintergründe des/der (vorherigen) Namenspatrons / Namenspatronin hinweist und erklärt, warum dieseR politisch nicht mehr tragbar ist und sich eine Reverenz verbietet.“
Ein weiterer Text befasste sich direkt mit dem ehemaligen Hindenburgplatz (heute Schlossplatz) und die Rolle Hindenburgs als Steigbügelhalter für das NS-Regime. Damals wollte eine Initiative die Umbenennung des Platzes in Schlossplatz rückgängig machen.
Auch in die Debatte um Ehrenmale auf dem Waldfriedhof Lauheide, die immer noch NS-Funktionäre und eine NS-Eliteeinheit ehren und an denen sich im Übrigen auch regelmäßig Nazis treffen (so auch am Volkstrauertag 2018 am 18. November), mischte sich die ALM ein. Die VVN-BdA Münster hatte im November 2018 in einem Offenen Brief an die Regierungspräsidentin Dorothee Feller gefordert, dass die „Ehrung für den NS-Kommissar der besetzten Niederlande Fritz Schmidt, für General Gerhard Glokke und für die NS-Eliteeinheit ‚Hammerdivision 329. Infanteriedivision‘“ beendet werden. Die Recherchen der VVN-BdA Münster hatten nämlich folgendes ergeben:
Unter diesen ‚Ehrengräbern‘ befinden sich auch Täter des NS-Regimes, darunter:
1. Der ehemalige NSDAP-Kommissar für die besetzten Niederlande Fritz Schmidt.
In seinen Verantwortungsbereich fielen unter anderem:
- Die ‚Entjudung der niederländischen Wirtschaft‘[1]
- Geiselnahmen zur Unterdrückung des Widerstandes gegen die NS-Besatzung[2]
- Erfassung der niederländischen Studierenden zum Einsatz im Deutschen Reich[3]
- Erfassung und Übersendung von niederländischen Arbeitern ins deutsche Reich[4]
- Aufbau einer NSDAP-Organisation in den Niederlanden[5]
- Anschluss der Niederlande an ein germanisches Reich unter deutscher Führung…[6]
Schmidt wird in den Archiven als Schmidt-Münster[7] bezeichnet; dies rührt von seiner Eigenschaft als (NSDAP-)Mitglied des Reichstages. Schmidt war in seiner Karriere auch tätig im Gauhauptamt in Münster und dort für Propaganda[8] zuständig; die weiteren Lebensdaten entnehmen Sie bitte dem beigefügten Aufsatz des heutigen Kurators der Dauerausstellung im jüdischen Museum in Berlin, Christoph Kreutzmüller. Schmidt verstarb unter ungeklärten Umständen (Mord oder Selbstmord)[9] während einer Dienstreise.
2. Der ehemalige General Gerhard Glokke.
Glokke war ein Militär, dem die Organisation des Wehrbereiches Münster (‚Befehlshaber im Wehrkreis VI, General der Infanterie‘) unterstellt war. Ihm waren zugeordnet:
- Die Organisation des Wehrbereiches Münster (deutlich größer als Westfalen)
- Beschaffung aller notwendigen Infrastruktur z.B. Kasernen, Straßen, Autobahnen
- Organisation der Wehrerfassung aller Menschen zum Kriegsdienst
- ‚Kommandeur von Münster‘ – eine Tarnbezeichnung für die Umgehung der Auflagen des Versailler Vertrages
Glokke verstarb an einem Herzinfarkt im Jahre 1944. Sein Lebenslauf gibt an keiner Stelle Hinweise darauf, dass es sich bei ihm um ein Kriegsopfer handelt; zu diesem Schluss kommt auch das Stadtarchiv Münster: ‚Kein Ehrengrab‘[10]. Gleiches gilt für Glokkes Frau, die viele Jahre später in der gleichen herausragenden Grabstelle – ohne auf dem Stein erwähnt zu werden – beigesetzt wurde.
3. Die NS-Eliteeinheit ‚Hammerdivision 329. Infanteriedivision‘ (Ehrenmal im Gräberfeld der Kriegsopfer).
Es handelt sich um eine Walküre-Einheit also einen militärischen Verband, der zur Niederschlagung von Aufständen gegen den Nationalsozialismus und seinen Führer aufgestellt wurde. Der Einsatzraum dieses Regimentes lag im Baltikum, seine Aufstellung erfolgte im damaligen Groß-Born, Pommern (heute Polen). Es gibt keine direkte Beziehung zu Münster – und keinerlei Rechtfertigung für die Ehrung einer NS-Eliteeinheit im Gräberfeld ihrer Kriegsopfer.
Das gesamte beschriebene Gräberfeld im Bereich Lauheide ist mit zwei Steinen eingefasst, die mit ‚1939‘ und ‚1945‘ beschriftet sind. Im Jahre 2012 veröffentlichte bereits das Stadtarchiv Münster auf seiner Internetseite: ‚Keine Sinnstiftung des Kriegstodes erfolgt. Anlage wird bestimmt durch das namentliche Gedächtnis. Deutet auf entpolitisiertes Verständnis des Zweiten Weltkrieges hin.‘[11]
Beerdigt wurden hier Opfer und Täter nebeneinander: Im gleichen Gräberfeld der Verantwortliche für die Arbeitsbeschaffung aus den Niederlanden (Fritz Schmidt s.o.) und insgesamt 14 ‚angeworbene‘ niederländische Arbeiter, die in Münster zu Tode gekommen sind.
Sehr geehrte Frau Regierungspräsidentin, wir bitten Sie um Unterstützung, um der politisch nicht mehr haltbaren und gesetzlich nicht legitimierten Ehrengrab-Situation auf Lauheide nach aktuellen Wissensstand Rechnung zu tragen und die Gedenkstätte entsprechend umzugestalten.
Zielsetzung sollte sein: Eine würdige Grabanlage der Opfer, die für Besucher historisch erläutert wird, um die Verbrechen des Nationalsozialismus zu dokumentieren.
[1] NIOD Instituut voor Oorlogs-, Holocaust- en Genocidestudies, Amsterdam, archief 061, inv.no. 19, 20
[2] NIOD, archief 061, inv.no. 27
[3] NIOD, archief 061, inv.no. 22, 23
[4] NIOD, archief 061, inv.no. 5; archief 280; 249-0053A
[5] NIOD, archief 061, inv.no. 1
[6] NIOD, archief 061, inv.no. 1, 2
[7] Kienast, Ernst: Der deutsche Reichstag, 1936. 3. Wahlperiode nach d. 30. Jan. 1933. Mit Zustimmung d. Herrn Reichstagspräsidenten hrsg. v. E[rnst] Kienast, Dir. beim Reichstag, Bd.: 1938,1, Berlin, 1938, Seite 384/385
[8] Christoph Kreutzmüller: Fritz Schmidt (1903-1943). Vom NSDAP-Kreisleiter in Minden zum Generalkommissar in den Niederlanden
[9] DEWEZET (Deister-Weser-Zeitung): Mord, Selbstmord, Unfall?, 14.12.2013
[10] Erinnern im öffentlichen Raum. Krieger-Denkmäler – Ehrenmale – Mahnmale und Kriegsgräberstätten in Münster. Münster 2013
[11] Zuletzt abgerufen 2012, vom Stadtarchiv zugunsten gedruckter Veröffentlichung (siehe 10) eingestellt
In einer gemeinsamen Pressemitteilung der VVN-BdA Münster und der ALM wurden die Forderungen der VVN-BdA Münster erneuert, da bisher nur das Grab von Fritz Schmidt, als NS-Generalkommissar der Niederlande für unzählige Verbrechen mitverantwortlich, entfernt worden ist:
Vor dem sogenannten ‚Volkstrauertag‘ fordern antifaschistische Gruppen die Entfernung von Ehrenmalen für NS-Funktionäre und eine NS-Eliteeinheit vom Waldfriedhof Lauheide bei Münster. Im Jahr 2018 hatten Neonazis den Waldfriedhof Lauheide bei Münster anlässlich ‚Volkstrauertages‘ zur Durchführung eines NS-‚Heldengedenkens‘ genutzt. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten und Antifaschistinnen (VVN/BdA) Münster hatte daraufhin eine Umgestaltung der ‚Ehrengräber‘ auf dem Friedhof gefordert. Anlässlich des Volkstrauertages erneuern nun antifaschistische Gruppen ihre Forderung nach einer Entfernung der NS-Ehrenmale und fordern die Verantwortlichen auf, Maßnahmen zu ergreifen, um ein erneutes NS-Gedenken auf dem Waldfriedhof zu verhindern.“
Und weiter:
VVN/BdA Münster und ALM fordern daher ein Handeln seitens Bezirksregierung, Stadt und Friedhofsverwaltung. ‚Es braucht eine klare Benennung von NS-Funktionären, NS-Verbrechen und den Verbrechen der Wehrmacht‘, so Carsten Peters von der VVN/BdA, ‚und die Konsequenz daraus kann nur eine Umgestaltung des Ehrenfeldes auf Lauheide bedeuten.‘ ‚Die Neonazis verstehen die Bedeutung der hier geehrten Männer sehr genau‘, ergänzt Merle Linkowski von der ALM, ‚das alleine sollte Grund genug sein, die hier praktizierte ‚Gedenkkultur‘ zu hinterfragen. Die Ehrengräber und das Mahnmal müssen unverzüglich entfernt werden.‘ ‚Es müssen deutliche Signale durch die Umgestaltung des Friedhofs an dieser Stelle gesetzt werden‘, ergänzt Carsten Peters von der VVN/BdA: ‚Es muss verhindert werden, dass Neonazis den Friedhof in diesem Jahr erneut für NS-Rituale nutzen. Eine nachträgliche Anzeige mit eingestelltem Ermittlungsverfahren wie im letzten Jahr wird sie wohl kaum abschrecken‘.“
Feiern
Und: Das antifaschistische Feiern darf natürlich auch nicht fehlen. Die ALM hat mit weiteren antifaschistischen Gruppen aus dem Münsterland regelmäßig die „Pien Kabache“-Partys in der „Baracke“ an der Scharnhorst Straße organisiert. Oft wurden vor der Party auch noch Vorträge oder Filme angeboten. Wegen Corona finden diese Partys im Moment nicht statt.
„Pien Kabache“ ist im Übrigen Masematte und bedeutet so viel wie „Trink-Stube“.
Impressionen von den Geburtstagsfeiern 5 und 10 Jahre ALM (Fotos: ALM)
Das Bild der „Antifa“ in der Öffentlichkeit
Die ALM hat immer versucht, ihre antifaschistische Arbeit für die Öffentlichkeit transparent zu machen. So hatte sie zu ihrem zehnjährigen Bestehen eine Vortragsreihe unter dem Motto „Antifa sichtbar machen! Perspektiven antifaschistischer Politik“ veranstaltet.
Umso enttäuschter war die Gruppe, dass im öffentlich-rechtlichen YouTube-Format „funk“ ein Beitrag erschienen ist, der die Antifa auf die Gewaltfrage reduziert hat, obwohl im Vorfeld nach den Inhalten antifaschistischer Arbeit gefragt wurde. Für den Beitrag hatte die Gruppe im Vorfeld ein interview gegeben. Die Gruppe kritisierte:
Wir wurden von den Journalisten über die Rahmenbedingungen, den Schwerpunkt und den Kontext des Stücks getäuscht. Zum einen war klarer Teil der Absprachen im Vorfeld, dass das Stück nicht unter extremismustheoretischen Vorannahmen veröffentlicht werden würde. Darüber hinaus war auch klarer Teil der Absprachen, dass eine inhaltliche Reduktion auf das Thema Gewalt nicht stattfinden würde. Beide Absprachen wurden nicht eingehalten. Die zweite Kernfrage des Stücks nach linksradikalen Utopien war kein Teil des im Vorfeld abgesprochenen Themenkatalogs, die Frage nach Zielen von Antifaarbeit hingegen schon, letztere sind klar benennbar: Wir wollen die extreme Rechte daran hindern das zu tun, was sie tun will. Abgesprochen war auch, dass in dem Beitrag insgesamt ein differenziertes Bild von Antifaarbeit gezeichnet werden soll, dies ist nicht geschehen.“
Und die ALM fragt nach dem Nutzen des Beitrags:
Die Antwort auf diese Frage ist so ernüchternd wie das Stück selbst. Nicht weiterbringen wird es diejenigen, die Interesse an einem Wissen zu antifaschistischer Arbeit haben. Und auch nicht denjenigen, die mehr über die radikale Linke und ihre Utopien erfahren wollen. Noch nicht einmal diejenigen, die sich kritisch mit der Frage zum Verhältnis zur Gewalt auseinandersetzen wollen, kommen weiter. Am Ende hat das Stück zwei Nutznießer. Zum einen bedient es eine Logik, die auf Klickzahlen ausgerichtet ist. Zum anderen nützt das Stück der extremen Rechten, die in ihrem Streben, das Narrativ „Antifa=Gewalt“ voranzutreiben, unterstützt wird. Dieser Beitrag wird eine Kronzeugenfunktion einnehmen!“
Umso erfreuter sind wir als Ostviertel-Redaktion, dass die ALM uns das Vertrauen ausgesprochen hat und uns ein Interview (siehe oben) gegeben hat!
Antifaschistischer Aufklärung verschrieben
Die antifaschistische Arbeit der ALM ist also viel Recherchearbeit über die Neue und Alte Rechte, über Neonazis und Nazis in Nadelstreifen. Es wird Aufklärung über diese Machenschaften der extremen Rechten betrieben, aber auch gegen deren Veranstaltungen demonstriert. Und: Feiern soll auch nicht zu kurz kommen. Die ALM ist aber eine geschlossene Gruppe. Die Plena sind nicht öffentlich. Die Gruppe kommt halt eher auf Menschen zu, von denen sie glauben, dass diese Menschen in die Gruppe passen und mitmachen sollten. Das ist auch leider oft nötig, damit die Gruppe nicht von Nazis ausgespäht wird.
Münster ist keine Hochburg der bundesdeutschen Faschist*innen
Das hat auch seinen Grund. Es gibt eine aktive linke antifaschistische Bewegung. Es gibt nicht nur die ALM, sondern auch noch die antifaschistische Gruppe „eklat“ und die VVN-BdA Münster. Aber auch das Bürger*innentum ist aktiv am Protest gegen neofaschistische und andere rechte Umtriebe beteiligt. Nicht umsonst gehen zum Beispiel bei den Protesten des „Keinen-Meter“-Bündnisses über 10.000 Münsteraner*innen gegen die AfD auf die Straße. Und auch CDU und FDP zeigen dort immer wieder ihr Gesicht gegen Faschismus! In Münster ziehen halt – bei allen sonstigen politischen Unterschieden – alle an einem Strang.
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