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Herr Sonneborn und der schwarze Block

Sie denken jetzt wahrscheinlich, es geht in diesem Kommentar um linksextreme, autonome, vermummte Asoziale. Aber nein, es geht um eine Gruppe, die weder linksextrem, noch vermummt oder autonom ist. Es geht um die Unionspolitiker*innen im EU-Parlament. Die Grünen sind „grün“, die FDP „gelb“, SPD und Linke werden mit verschiedenen Rot-Tönen gekennzeichnet und die CDU wird mit der Farbe „Schwarz“ gekennzeichnet.

Und warum jetzt Block und Sonneborn?

Martin Sonneborn, ehemaliger Chefredakteur der Satirezeitschrift “Titanic” und Parteivorsitzender der Partei “Die PARTEI”, sitzt seit der Europawahl 2014 im Europaparlament in Brüssel und berichtet auf seine ganz eigene Art über das, was dort passiert. Auch wenn einige Menschen den Sinn von Satire nicht ganz verstehen mögen oder den bissigen Humor in vielen Fällen unpassend finden, bin ich für eine Sache, die Martin Sonneborn in den letzten Jahren gemacht hat, sehr dankbar.

Er veröffentlicht auf seinem Facebook-Account recht regelmäßig, wie sich die EU-Abgeordnet*innen der verschiedenen deutschen Parteien bei Abstimmungen entschieden haben. Solch eine Transparenz hat es, meiner Kenntnis nach, vorher nicht gegeben und gibt es von keiner anderen Seite.

Angefangen hat Herr Sonneborn im Jahr 2017 im Zusammenhang mit der Zulassungsverlängerung von Glyphosat (Link führt zu Facebook). Sie wissen schon, das als „wahrscheinlich krebserregend“ deklarierte Düngemittel der sympathischen Firma Monsanto (Bayer-Konzern). Während die Wahrscheinlichkeit noch untersucht und überdacht wird, hat Bayer in den USA schon Klagen bezüglich des glyphosathaltigen Produkts “Roundup” verloren und versucht mit den Kläger*innen Vergleiche auszuhandeln.

Die Übersicht von Herrn Sonneborn sah anfangs leider noch etwas unaufgeräumt aus. Die optische Überarbeitung kam mit dem Post zu Artikel 13 der EU-Urheberrechtsreform (Facebook). Wer sich zu dem Thema ein bisschen informieren möchte, dem empfehle ich die Beiträge vom Youtuber Rezo vom 24.11.2018 und vom 17.03.2019 inklusive seiner Recherchen und Links.

Dann gab es noch Abstimmungen zum Thema Klimanotstand (Facebook), zur Stärkung der Rechte von NGOs bei der Seenotrettung (Facebook), zur Förderung von Öl- und Gaskonzernen mit EU-Geldern (Facebook), zu einer klimaschädlichen Agrarreform (Facebook) und zuletzt die Frage, ob im EU-Bericht zur Lage der Grundrechte in der EU der Name von Julian Assange (Facebook) auftauchen sollte. Sie wissen schon, dem Journalisten der über die Enthüllungsplattform Wikileaks die Schweinereien der USA in Afghanistan und im Irak veröffentlicht hat.

Nicht alle Themen, die Aufmerksamkeit erhalten sollten, werden von Herrn Sonneborn auf diese Art veröffentlicht. Da gibt es noch weit mehr interessante Unmöglichkeiten. Aber mal ehrlich, wird Ihnen bei diesen Grafiken auch so schlecht wie mir?

Irgendwie hab ich nicht das Gefühl, dass es um Gemeinwohl geht bei den Entscheidungen der Unionspolitiker*innen, wenn sie durch ihre Stimme Öl-, Gas-, Chemie- und Medienkonzerne unterstützen, während Ertrinkende und Journalisten leer ausgehen. Und zu der Wahlwerbung der Europawahl 2019 (Facebook) passt dieses Verhalten irgendwie auch nur zur (ersten) Hälfte.

Falls Sie sich nun die Hände in Unschuld waschen wollen, weil Sie AfD oder die FDP gewählt haben, muss ich Sie leider enttäuschen. Die entscheiden in den meisten Punkten ziemlich ähnlich.

Dass dies so ist und die Arbeit von Herrn Sonneborn Früchte trägt, kann man anhand seines heutigen Facebook-Posts sehen, in dem er eine ähnliche Übersicht des Europaparlamentssprechers der Grünen teilt (Facebook) und noch mal auf die einheitliche Linie der oben genannten Parteien hinweist. Die optische Aufarbeitung lässt sich noch verbessern, aber den Schritt in Richtung Transparenz, den Martin Sonneborn mit seiner Spaß-Partei getan hat, kann man nur begrüßen.

Oder wie finden Sie das mit den Ersatzteilen?

 

Christian Hicking

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