Ein Weg zur Gelassenheit und Lebendigkeit – so beschreibt der Yogalehrer Andreas die Bedeutung, die Yoga für ihn hat. In seinem eigenen Yogastudio “Maitri” hofft er diese Wirkung auch bei den Teilnehmenden seiner Kurse zu erwecken, die das Hobby ebenfalls für sich entdeckt haben. Wie er selbst zu Yoga gefunden hat und warum es so eine zentrale Rolle in seinem Leben spielt, erzählt er uns heute in seinem Studio im Ostviertel.
Hallo erst mal! Stelle dich doch bitte einmal vor.
Ich bin Andreas, wohne jetzt schon seit 20 Jahren in Münster und seit 12 Jahren gibt es hier dieses Maitri-Yogastudio. Das mache ich hauptberuflich schon seit 2009 und seit 2011 hier in der Sternstraße im Hinterhof.
Wann hast du das Yoga für dich entdeckt und was bedeutet es für dich?
Also ich habe 1999 angefangen mit Yoga und zwar hat mich mein ehemaliger Mitbewohner überredet zum damaligen Milleniumwechsel so ein Reinigungsritual mitzumachen, das ging über fünf Tage und unter anderem gab es da morgens Yoga. Zu dem Zeitpunkt habe ich noch geraucht, Rock ‘n Roll gehört, war oft auf Partys und so und dann habe ich dort in diesem Seminar meine erste Yoga-Klasse gemacht. Das war irgendwo in der Nähe von Bielefeld und das Gefühl, was ich danach hatte, war grandios. Ich habe gedacht, wow, ich fühle mich so richtig schön lebendig, so ganz in meinem Körper zuhause, das möchte ich nochmal erleben. Also so wie wenn man etwas Leckeres isst und das gerne nochmal haben möchte, das war so meine erste Berührung mit Yoga. Yoga hat natürlich einmal etwas damit zu tun, dass ich so körperlich beweglich und fit bleibe, aber auf einer psychologischen, mentalen Ebene finde ich ist vor allem diese Beweglichkeit oder auch Kraft, die mit Yoga zusammenhängt, total wichtig. Die wirkt sich so aus, dass ich gefühlt in alle Richtungen ganz viele Türen und Tore sehe, also mich sehr schnell selbst regulieren kann, sodass ich von einem Zustand von so etwas wie Rastlosigkeit oder innerer Unruhe in einen Zustand von Gelassenheit, Klarheit und vielleicht sogar Freude kommen kann.
Wie ist es dazu gekommen, dass du deine persönliche Vorliebe für Yoga in ein professionelles Unternehmen umgewandelt bzw. erweitert hast?
Also ich habe hier in Münster studiert, Philosophie, Erziehungswissenschaften und Soziologie. Ich hatte dann in Erziehungswissenschaften sogar ein Stipendium für eine Doktorarbeit, habe aber schnell gemerkt, das ist nicht so ganz das Richtige für mich, dieses Verkopfte. In der Zeit habe ich ja schon regelmäßig Yoga gemacht und dann kam irgendwann dieser Punkt, wo ich mich entscheiden musste und dann habe ich gesagt, okay, jetzt wage ich mal den Sprung in die Selbstständigkeit. Da gab es damals auch die sogenannten Ich-AGs, wo das nochmal unterstützt wurde, also dass die Krankenkassenbeiträge und so bezahlt wurden. Es gab damals also politische Rahmenbedingungen, die meine Selbstständigkeit auf jeden Fall etwas erleichtert haben, wodurch ich mich das Ganze auch getraut habe. Dann habe ich in der Schillerstraße im „kleinen Bühnenboden“ und auch noch in Kinderhaus mit Kursen angefangen und parallel schon ein bisschen nach einer eigenen Location gesucht. In der WN habe ich damals diesen Raum hier gefunden, der war komplett leer. Also da war kein Boden drin, das war so eine Art Lagerraum und die Vermieterin, eine ganz coole Socke, die ist Architektin, wird schon 85 und die war diesem Yogaprojekt sehr aufgeschlossen. Das ist auch nicht bei vielen Vermietern der Fall, die sagen oft: „Mit Yoga, kriege ich da meine Miete überhaupt rein?“. Ich habe eine Ausbildung in Berlin gemacht und in Köln war ich auch viel, wo es eine sehr lebendige Yogaszene gibt und da sind viele Yogastudios in Innenhöfen. Genau so hatte ich mir das auch gewünscht bzw. visualisiert, also ein Yoga-Studio in einem Innenhof, aber nahe am Bahnhof. Hier dieses Viertel ist ja super schön mit den ganzen Cafés und so ist das letztendlich entstanden.
Wenn du Yoga schon hauptberuflich machst, was machst du denn dann noch so in deiner Freizeit?
Also Hobbys sozusagen? Ich habe vor vier oder fünf Jahren, also vor Corona schon, mit Ukulele angefangen und das verwende ich auch hier im Yoga-Unterricht gerne. Wir singen dann Mantras, nicht mit Harmonium, sondern mit Ukulele, was sich ein bisschen leichter anfühlt. Dann mache ich parallel zum Yoga eigentlich auch Akrobatik mit meiner Frau, im Sommer immer ein bisschen mehr als im Winter und ich habe noch einen Sohn, der ist jetzt seit August im Rennradverein und da habe ich mir auch ein Rennrad geholt. Das ist jetzt ebenfalls zum Hobby geworden, dass wir jetzt regelmäßig in die Pedalen treten.
Was braucht man für Fähigkeiten und Eigenschaften als Yogalehrer*in?
Eine eigene Yogapraxis ist wichtig in meinen Augen, denn alles was ich hier unterrichte basiert im Grunde auf einem eigenen Erfahrungsschatz. Vor allem die Atemübungen und so, das finde ich wichtig. Und dann ist das natürlich immer Geschmackssache, aber persönlich kann ich jetzt noch sagen, meine Vorbilder oder Lehrer*innen bei denen ich mich wohlfühle, die haben auch immer so etwas fürsorgliches, das mag ich ganz gerne, also wenn man die Teilnehmenden, die Schüler*innen unterstützt, sie sieht und denen nicht streng gegenüber auftritt. Das sind alles Dinge, die ich versuche im Unterricht zu vermitteln.
Was bietest du alles in deinem Yoga-Studio an?
Also wir unterrichten hauptsächlich Vinyasa Yoga, ein anderer Name dafür ist Power-Yoga, das ist also eher ein dynamischer Yogastil, wo Atem und Bewegung miteinander verbunden werden. Davon haben wir verschiedene Level: Relax-Yoga ist noch ein etwas ruhigerer, langsamer Flow, wir haben auch Balance-Klassen, das ist dann dazwischen, wobei es viel um Balancieren geht, weil das so die Halte- und Stützmuskulatur stärkt und in meinen Augen wichtig ist, um Ausgleich für Defizite im Alltag zu schaffen. Dann haben wir Flow-Klassen,wo der Schwitzfaktor schon ein bisschen höher ist und wo auch mal die eine oder andere Umkehrhaltung oder Armbalance dabei ist und als viertes haben wir natürlich auch noch ganz ruhiges Yoga, Yin-Yoga. Zusätzlich habe ich hier vor zwei Wochen das erste Mal seit drei Jahren wieder einen Akro-Yoga-Beginnerworkshop angeboten, also eine Verbindung aus Yoga und Akrobatik, wo es weniger darum geht, dass man diese Tricks wie bei Turnen meistert, sondern der Prozess mehr im Vordergrund steht und auch das Miteinander. Man soll sich unterstützen und anvertrauen. Als letztes haben wir noch Jivamukti-Yoga, das unterrichtet meine Frau.
Denkst du, dass man in jedem Alter mit Yoga anfangen kann und welchen Altersgruppen gehören deine Kund*innen an?
Spannende Frage, also ich habe seit 2021 einen Senioren-Yogakurs. Kurz die Geschichte dazu: Als ich begonnen habe, 2011 oder 2012, hatte ich hier einen Teilnehmer, der war schon ein bisschen älter und der hat sich jetzt nach zehn Jahren erneut gemeldet und gesagt, er würde gerne wieder Yoga machen, aber er traue sich nicht, weil das ja die ganzen jungen Leute machen und er fühle sich nicht so beweglich. Da habe ich gesagt, ich habe Donnerstagmorgen Zeit, vielleicht kennst du ja ein paar Leute und dann hat er aus seinem Freundeskreis und aus seinem Chor noch zehn weitere Senioren mtgebracht und jeden Donnerstag ist seitdem hier Seniorenyoga, also 70+. Außerdem begleite ich zum Beispiel auch die Wolbecker Senioren-Fußballmannschaft. Mittwochabends fahre ich deshalb immer nach Wolbeck und die haben auch gerade erst im Alter von über 50 Jahren mit Yoga angefangen. Um jetzt nochmal auf deine Frage einzugehen, ich glaube man kann immer einsteigen. Was man dafür erst mal als Einziges braucht, ist die Bereitschaft etwas mehr einzuatmen und ein bisschen tiefer auszuatmen, als man es sonst vielleicht im Alltag tun würde und der Rest kommt eigentlich von alleine. In meinen Augen passt sich Yoga immer deinen Bedürfnissen oder deiner Tagesform an.
Auf deiner Internetseite bist du auch als Yoga-Massage-Therapeut aufgeführt, was hat es damit auf sich?
Das mache ich tatsächlich nicht mehr so viel. Also das habe ich vor Corona und auch bis 2017 sehr intensiv geübt, aber ich habe mich dann mehr auf die Yogalehrer-Ausbildung konzentriert, weil ich beides zeitlich nicht so hinkriege. Deswegen biete ich das nicht mehr an, aber da ich das Diplom noch habe, steht es noch auf der Internetseite.
Du bietest ja verschiedene Arten von Yoga an, was macht dir selbst denn am meisten Spaß?
Also inhaltlich kann ich das jetzt gar nicht sagen, ich finde die Atmosphäre immer schön, wenn ich mich mit den Teilnehmenden verbunden fühle, was ziemlich einfach ist, weil hier ja schon seit 12 Jahren ganz viele regelmäßig kommen. Deswegen bin ich auch relativ gut durch Corona gekommen, es ist gut in diesem Viertel hier etabliert. Ich finde es auch schön, wenn man eine Klasse mit Mantra oder einer Meditation beginnt, noch Zeit für Atemübungen hat und dann in der ganzen Stunde einmal in die letzten Ecken des Körpers kommt, durch diese Rückbeugen, Vorbeugen, Seitneigungen etc. Am Ende ist es natürlich toll, noch Zeit zu haben für eine lange, mindestens acht minütige Schlussentspannung. Wenn ich das alles in 90 Minuten unterbekommen habe und die Teilnehmer alle ein bisschen gelöst, entspannt raus gehen, dann bin ich selbst immer sehr zufrieden.
Hast du eine Lieblings-Yoga-Position?
Da muss ich mal nachdenken … Also das hängt immer davon ab, du kannst ja diese Yoga-Positionen so anwenden, dass sie deinen, das klingt jetzt ein bisschen esoterisch, energetischen Zustand verändern. Wenn ich zum Beispiel sehr aufgekratzt bin und mir es schwer fällt mich abzugrenzen, dann wäre eine Vorbeuge im Sitzen richtig gut, also du sitzt einfach zwei, drei Minuten, das beruhigt total. Es setzt einen parasympatischen Reiz und hilft sogar einzuschlafen. Dann gibt es aber vielleicht das Gegenteil, ich fühle mich den ganzen Tag müde und schlapp, in dem Fall wäre ein Rückbeuger genau das Richtige. Ein Rad oder ein Fisch heißt diese Position, mit einem Bolster, wo man auch so zwei, drei Minuten drin ist. Aber so ganz persönlich übe ich ganz gerne Umkehrhaltungen, also Handstand, Kopfstand und Schulterstand, das ist so ein bisschen mein Steckenpferd, auch wegen der Akrobatik.
Gibt es eine spezifische Yoga-Stunde, an die du dich besonders erinnerst?
Ja, das war kurioser Weise auf einer Akro-Yoga-Vertiefung in Antwerpen. Einer der Teilnehmenden, Ruslan heißt der, der ist eigentlich gar kein richtiger Yogalehrer, seine Freundin hat damals die Stunde gemacht und der hat mit uns bestimmte Atemübungen gemacht, die aus Tibet kommen und Tumo-Atmungen heißen. Die kannte ich vorher nicht und er hatte die am dritten oder vierten Tag gemacht, wo wir alle schon ziemlich k.o. waren. Durch diese Atmung waren wir den ganzen Tag so energetisiert und wach, das war echt ein tolles Erlebnis. Ich hatte auch in der Meditation, die er angeschlossen hat, so ein richtig schönes Verbundenheitsgefühl, das ich mit dem Herzen wirklich gut spüren konnte. Das war sehr schön, da denke ich noch gerne dran zurück.
Was hoffst du mit deinen Yoga-Stunden bei deinen Kund*innen zu erreichen bzw. was möchtest du vermitteln?
Erstens hoffe ich, dass die Klasse nicht nur bei mir, sondern auch bei den Anderen einen Ausgleich zwischen Denken und Fühlen kreiert. Das fußt auf der Unterstellung, dass die meisten Leute oft im Denken sind, im Analysieren, im Machen, im Tun und viele sich schwer tun, vielleicht mehr ins Fühlen zu kommen. Manchmal bedarf es da sogar Mut für, also fürs Fühlen, Wut zu spüren oder Traurigkeit zu fühlen, das ist schon nicht ganz ohne. Dann finde ich es natürlich auch schön, wenn die Teilnehmenden in irgendeiner Form so etwas wie eine Erleichterung haben. Viele kommen ja auch zum Yoga, weil sie gehört haben, dass das gut gegen Rückenschmerzen ist oder zu einer besseren Verdauung verhilft, beweglicher macht oder besser schlafen lässt. Das Dritte was ich noch so als Ziel habe oder was ich unterstelle, was auch viele Leute mit Yoga verbinden, ist die Erfahrung von Stille. Also dass es vielleicht gar nicht so bedrohlich ist oder eigentlich auch ganz schön, mal so ganz still mit sich selbst zu sein. Dass man da nicht Nachrichten, Handy, WhatsApp, Instagram oder Tik Tok braucht. Das berichten auch einige, wenn sie hier einen Beginnerkurs gemacht haben. Die sagen zum Beispiel: „Ich habe richtig gut geschlafen letzte Nacht, ich hatte gar keine Lust mehr das Handy anzuschalten oder noch Nachrichten zu schauen.“
Ein Beitrag von Linn Stenert und Paula Brieden
Kommentar hinzufügen