OSTVIERTEL.MS

Gemeinschaftlich umgestalten

Bei dem Umbau eines Ortes wie dem Bremer Platz, ist es schwierig die Interessen aller miteinzubeziehen, die in einer solchen Umgestaltung involviert sind – dieser komplexen Aufgabe widmen sich Stefan Scholz und Judith Döpker vom Quartiersmanagement des Stadtraums am Hauptbahnhof Münster. Regelmäßig treffen sie sich mit den am Projekt Beteiligten an einem “Runden Tisch” und arbeiten zentrale Themen und Probleme heraus, um anschließend Lösungen bzw. Kompromisse zu finden. Die beiden haben uns in ihr Büro eingeladen und berichten uns heute, welche Beweggründe hinter dem Quartiersmanagement stecken und wie die weitere Planung und Umsetzung des Projektes um den Bremer Platz aussieht.

Könnten Sie sich selbst einmal kurz und knapp vorstellen?

Stefan Scholz: Herzlich Willkommen im Quartiersmanagement. Mein Name ist Stefan Scholz, ich arbeite seit 23 Jahren bei der Stadt Münster und bin ausgebildeter Diplom-Sozialarbeiter mit einer Zusatzausbildung zum Mediator und arbeite jetzt seit knapp fünf Jahren im Quartiersmanagement.

Judith Döpker: Mein Name ist Judith Döpker, ich arbeite jetzt seit zwölf Jahren bei der Stadt Münster und seit März 2023 hier im Quartiersmanagement. Von Haus aus bin ich Diplom-Sozialarbeiterin, Sozialpädagogin und habe den Master of Arts gemacht, mit dem Schwerpunkt Sozialmanagement.

Was ist das Quartiersmanagement und was ist dessen Entstehungsgeschichte?

Scholz: Der Stadtraum um den Bremer Platz und den Hauptbahnhof wurde dadurch, dass ein Investor das Hansa-Tor entwickelt und gebaut hat, aufgewertet. Mit dem Hansa-Tor als zweiter Ausgang des Bahnhofs wurde die schmuddelige Rückseite des Bahnhofs beseitigt und die Stadt hat beschlossen, dass der Bremer Platz umgebaut und neugestaltet werden soll. Weil die städtische Drogenszene seit ca. 30 Jahren dort auf dem Platz ihren informellen Treffpunkt hat, wurde überlegt, wie diese Thematik aufgegriffen werden kann. Es wurde ein Quartiersmanagement eingerichtet, weil klar war, dass die Szene hier verbleiben soll. Der Umbau sollte im Interessenausgleich mit allen Interessen- und Nutzergruppen in diesem Stadtraum passieren. Wir sind sowohl im direkten Austausch mit Anwohnenden, Immobilienbesitzenden und Gewerbetreibenden, mit der Polizei, der Ordnungsbehörde und der Verwaltung, als auch mit den sozialen Einrichtungen bzw. Institutionen, die Szene-Bezug haben und mit den sozialen Akteuren, die pädagogische Arbeit hier im Stadtraum leisten, zum Beispiel die Montessori-Schule oder verschiedene Kitas. All diese Interessen bringen wir an einem „Runden Tisch“ in ein dialogisches Konfliktmanagement und schaffen dort den Interessenausgleich.

An die neue Kollegin: Sie arbeiten erst seit kurzem beim Quartiersmanagement. Wie sind Sie darauf aufmerksam geworden und was genau sind Ihre Aufgaben?

Döpker: Wie gesagt, ich arbeite schon lange bei der Stadt Münster und habe vorher bereits mit Stefan in der gleichen Fachstelle gearbeitet. Wir kannten uns also als Kollegen, hatten aber keinen beruflichen Bezug. Dann wurde diese Stelle, wo ich jetzt arbeite, ausgeschrieben und ich fand den Arbeitsschwerpunkt interessant und hatte Lust mitzugestalten. Ich habe mich dann beworben und letztendlich die Stelle bekommen. Was meine Aufgaben sind, kann man so konkret gar nicht sagen, ich befinde mich noch in der Einarbeitungsphase. Im Moment arbeite ich mit Stefan zusammen, ich gucke mir an, wie die Arbeit funktioniert, bin in den Gremien dabei und wir moderieren den „Runden Tisch“ zusammen.

Scholz: Unsere Hauptaufgabe ist eigentlich die Moderation und Mediation von dem Prozess der Umgestaltung des Bremer Platzes. Wir treffen uns mit den einzelnen Interessengruppen und die Themen, die wir dort herausarbeiten, bringen wir an den „Runden Tisch“. Die Ergebnisse gehen dann wieder zurück an die Gruppen und so entstehen neue Themen. Wir sind im Grunde da, um diese Themen zu erkennen, aufzuarbeiten, und um den Prozess zu steuern.

Eines Ihrer aktuellsten Projekte ist die Umgestaltung des Bremer Platzes. Was hat es damit auf sich und was sind die Beweggründe dafür?

Wir sind hier im Bahnhofsviertel und da der Bahnhof immer ein gewisses Milieu mit sich bringt, entstehen bestimmte Themen. Diese Situation nehmen wir mit dem Umbau des Bremer Platzes auf. Der erste Schritt bei der Umgestaltung war, dass wir uns mit dem Amt für Grünflächen, Umwelt und Nachhaltigkeit zusammengesetzt haben, weil das für den tatsächlichen Umbau des Platzes verantwortlich ist. Wir haben als erstes mit der architektonischen Planung begonnen, die genau auf die vertretenden Interessen abzielt. Das sieht man an dem ersten Planungsentwurf, der dann irgendwann auch zum Baubeschluss geführt hat. Dass wir auf einer öffentlichen Grünfläche plötzlich Einbauten finden, die den Aufenthalt der Szene begünstigen sollen, ist ein Novum. Der nächste Schritt wird sein: Wie gestalten wir das? Das sind im Grunde die Aufgaben, die wir als Quartiersmanagement haben: Die Begleitung der architektonische Neugestaltung des Bremer Platzes durch die Moderation der Interessen- und Nutzergruppen, und das Aufgreifen der aktuellen Situationen, die mit dem Umbau verbunden sind. Wir haben zum Beispiel mit dem „Runden Tisch“ eine Interimsfläche entwickelt. Während der Umgestaltung des Bremer Platzes war uns klar, dass die Szene temporär ihren Platz verliert. Das sind alles Themen, die uns begleiten. Wir wollen möglichst vermeiden, dass wir die Szene und drogennutzende Menschen in den Wohnvierteln haben.

Wie sieht die weitere Planung bezüglich dieses Projektes aus?

Scholz: Als Nächstes wird es darum gehen, die Nutzung der Fläche zu thematisieren und deshalb führen wir gerade, da die architektonische Planung abgeschlossen ist, sogenannte „Quartiersdialoge“. Und zwar gehen wir jetzt zusätzlich zu den Gesprächen mit den Interessengruppen, die uns in unseren Treffen besuchen, raus ins Viertel und versuchen Kontakt mit den Menschen im Viertel aufzunehmen. Wir möchten eine breite Meinung dazu einholen, was der Bremer Platz eigentlich fürs Viertel bedeutet und wie die Nutzung aussehen müsste, damit Viertelbewohner den Platz auch nutzen. Ganz am Ende des Tages wird es darum gehen: Ist der Platz ein Park oder ist es ein Durchgangsort? Das wollen wir feststellen, um anschließend zu schauen, wer diese Nutzung unterstützen könnte und was es dafür braucht.

Döpker: Bevor der Platz eingerüstet worden ist, wurde beobachtet, dass die Leute eher um den Platz herum gegangen sind und nicht über den Platz, weil sie doch Sorge hatten, dass irgendetwas passiert. Deshalb ist es unser Ziel, den Platz zu aktivieren und zu beleben, damit er auch wirklich genutzt wird. Wir möchten wissen, was die Anwohnenden für Wünsche haben, damit wir diese letztendlich umsetzen können.

Scholz: Man kann es so zusammenfassen: Unsere Aufgabe ist es aktuell, diese Metamorphose von einem Drogen dominierten Ort zu einem Ort für alle zu begleiten. Unser Ziel ist eigentlich, das Image vom Bremer Platz zu ändern, wir wollen durch den Platz durchgehen können.

Um Projekte wie die Umgestaltung des Bremer Platzes zu organisieren, kommen Sie an einem „Runden Tisch“ zusammen. Wer genau gehört dazu und was wird dort besprochen?

Der „Runde Tisch“ ist wirklich das Herzstück, denn da geben wir den Leuten Informationen und es geschieht Kommunikation. Die Idee war schon von vorne rein da, dass wir den „Runden Tisch“ installieren müssen, um alle ins Gespräch zu bringen und die Frage war, wer und wie viele am “Runden Tisch“ sitzen. Deshalb haben wir dieses Dialogverfahren gewählt, das heißt wir haben Gremien und Austauschtreffen um den „Runden Tisch“ herum. Wie ich gerade schon erwähnt hatte, betrifft das unter anderem die Anwohnenden, die Immobilienbesitzenden und Gewerbetreibenden, die sozialen Einrichtungen mit Szenebezug und die sozialen Instutitionen, wie Montessori-Schule und Kitas, die überhaupt kein Szenebezug haben und den auch nicht wollen. Das Ordnungsamt, die Polizei und die Verwaltung gehören ebenfalls dazu. Das sind die Cluster, die wir gebildet haben, die dann jeweils ihre Vertretung senden. Diese Vertretung wird dann von uns gecoacht, weil ehrenamtliche Anwohnerinnen und Anwohner natürlich nicht den gleichen Überblick haben, wie wir.

Wie bei den meisten öffentlichen Projekten gibt es neben positiven Rückmeldungen sicherlich auch kritische Stimmen. Wie stehen Sie dazu?

Das Thema was zentral ist, ist, dass wir zwar alle Interessen aufgegriffen haben, aber der Platz viel zu klein ist, um alle Wünsche umzusetzen. Die kritischen Stimmen, die also auftauchen, sind eigentlich die Enttäuschungen, die damit verbunden sind. Viele Erwartungen sind an diese Fläche geknüpft: „Ich wollte doch mit meinen Kindern dort spielen“, und so weiter. Für andere Anwohnende ist das Thema Kinderspielplatz fast ein traumatisches Erlebnis, weil dort der Kinderspielplatz zurückgebaut wurde. Die Kritik, die hauptsächlich immer wieder geäußert wird, geht in die Richtung: „Mensch, ich hatte mir das doch anders vorgestellt“. Der „Runde Tisch“ ist aber ein demokratischer Prozess, das heißt im Endeffekt ist es ein sehr großer Kompromiss, den wir dort schließen, weil der Konsens in dieser Gemengelage sehr schwierig ist. Die Kritik: „Der „Runde Tisch“ hat doch gar nichts gebracht“, die nehmen wir also ernst. Wir hinterfragen es ja auch immer: „Ist das alles richtig so?“, aber am Ende des Tages muss man resümieren: Die Enttäuschungen existieren natürlich, aber der Prozess muss trotzdem weitergehen und wir bemühen uns so gut es geht, die Enttäuschungen aufzufangen.

Was sind weitere Projekte, um die Sie sich momentan kümmern ?

Wir haben leider gar keine Zeit für andere Projekte, weil wir nur 1,5 Stellen besetzen und das beantwortet schon fast die Frage. Wir sind mit dem Projekt am Bremer Platz schon ganz gut ausgelastet, es ist sehr umfangreich. Aber wir können es vielleicht so beschreiben: Neben dem Bremer Platz beobachten wir natürlich das ganze Bahnhofsviertel, allein die Verdrängung der Szene ist wichtig zu dokumentieren. Im Grunde ist das Quartiersmanagement ja eine Unterarbeitsgruppe der sozialen Ordnungspartnerschaft „Hauptbahnhof illegale Drogen“. Das Ordnungsamt und die Polizei können uns natürlich Bewegungen im Viertel schildern, aber wir sind diejenigen, die sich dann aus sozialer Sicht darum kümmern. Wir haben außerdem stadtraumübergreifende Ideen und sind auch mit dem Amt für Mobilität und Tiefenbau, sowie mit dem Stadtplanungamt vernetzt, weil der Bremer Platz eine Strahlkraft über dieses Viertel hinaus hat. Wir beschäftigen uns zum Beispiel auch mit der Transitlinie zum Hansahafen, weil die Hafenmeile eine Ausgehmeile ist, die auch nochmal aufgewertet werden soll. Ein weiteres Projekt, das wir beobachten, ist der Ausbau der Schillerstraße als Fahrradstraße. Im Fokus steht für uns vor allem die Frage: Was macht das mit den Menschen? Wenn der Stadtraum im Nahbereich des Bremer Platzes mit Bänken aufgewertet wird, könnte beispielsweise die Gefahr entstehen, dass die Szene dann gar nicht auf dem Bremer Platz bleibt, sondern sich auf die Sitzbänke in der Schillerstraße erweitert und das möchten die Anwohnenden nicht. Das sind alles Themen, die in den Treffen mit den Anwohnenden aufkommen.

Wie sieht die Zukunft des Quartiersmanagements aus?

Wir werden nach dem Umbau des Platzes auch noch dabei sein. Das Quartiersmanagement ist mit einem politischen Beschluss bestätigt worden, eine Amtshandlung für fünf Jahre wurde angesetzt. Wir wurden 2020 bereits verstetigt, weil gesehen wurde, dass so viel Dynamik in dem Prozess um den Bremer Platz existiert, dass es auch nach dem Umbau Sinn ergibt, diesen Prozess weiterhin zu begleiten und den Platz nicht sich selbst zu überlassen. Das ist ganz wichtig für den sensiblen Stadtraum in Bahnhofsnähe.

Ein Beitrag von Paula Brieden und Linn Stenert

Linn Stenert

Bundesfreiwillige im Bennohaus seit September 2022

Kommentar hinzufügen